Man muss das Lied vom Internet, das ganze Branchen umkrempelt, nicht mehr singen. Speziell in der Musik, wo Konsumenten noch nie so einfach und bequem zu so vielen Songs kommen wie heute – aber gleichzeitig Musiker verunsichert sind und auf der Hut sein müssen, um nicht den Anschluss zu verpassen. Das geht schnell, wie unzählige verwahrloste Myspace-Profile bezeugen – einst Pflicht für jede Band.
Streamingdienste wie Spotify machen Konsumenten bequem – sodass nicht mal mehr der illegale Download valabel erscheint. Das Abo für rund 13 Franken im Monat bietet mir unbegrenzten Zugriff auf Musik – auf mehr Songs als ein Plattenladen je fassen kann. Zumindest für die Konsumenten eine runde Sache. Und auch für die Branche insgesamt könnte das Geschäft aufgehen, denn zumindest setzt sich die Hoffnung durch, dass Musikhörer von morgen bereit sind, zu bezahlen. Einfach anders als bisher.
«Macht den Fehler nicht!»
Jetzt aber das Aber: Wieso kehren vermehrt unabhängige Labels und kleine Bands Spotify den Rücken? Wieso sind sie frustriert? Ganz einfach: Die Kleinen kommen auf keinen grünen Zweig bei der Streamerei. Für die Einnahme einer verkauften CD muss ein Lied mehrere Tausend Mal angehört werden. Das mag für Daft Punk mit ihrem Sommerhit einschenken, doch niemals für eine Newcomer-Band ohne Airplay im kommerziellen Radio.
Spotify erfindet also das Geschäftsmodell Musik neu, was aber den eh schon Etablierten zugute kommt. Allen anderen wird ein Vertriebsmodell vor die Nase gesetzt, über das sie kaum Einfluss haben.
Ein Tweet von Thom Yorke , Sänger von Radiohead und unangetastete Autorität einer Indie-Generation, setzte der Diskussion die Krone auf: «Make no mistake. New artists you discover on Spotify will not get paid. Meanwhile shareholders will shortly being rolling in it. Simples.» Er entfernte seine Songs darauf von Spotify, so wie Dutzende Labels vor ihm.
Ran an die Fans
Für Independent-Bands und Newcomer kann’s nur einen Weg geben: Weg von Labels, von Vertrieben, von Spotify – und möglichst nah ran an die Fans. Dazu gibt’s seit einigen Jahren ein Nischenprodukt im digitalen Musikangebot, das für die heimatlosen Musiker dieser Welt immer interessanter wird: Bandcamp. Der Amerikaner Ethan Diamond gründete die Seite 2008 – angeblich aus Frustration, weil er ein selbstveröffentlichtes Album einer Band nicht online kaufen konnte.
Mit einer simplen Idee verliess Diamond seinen Job bei Yahoo: «Entdecke neue Musik und unterstütze jene, die sie machen.» Das passt wunderbar zum gegenwärtigen Do-It-Yourself-Groove. Und zu einer Zeit, in der Musiker ihre Alben und Tourneen von der Masse sponsern, sprich durch Crowdfunding finanzieren lassen.
Die Hälfte zahlt freiwillig mehr
Bandcamp kommt sehr aufgeräumt daher, und obwohl technisch absolut auf der Höhe der Zeit, ist die Website quasi der gute alte Plattenladen im Internet – der digitale Merchandise-Stand. Wie in einer wohlsortierten Auslage präsentieren sich die Albumcovers. Man hört und sieht: Hier steht die Musik im Zentrum.
Es funktioniert denkbar einfach: Die Künstler legen eine eigene Seite an, laden die Musik hoch und setzen selbst einen Mindestpreis fest – oder überlassen es gänzlich den Fans, was sie bezahlen. Die Fans wiederum wählen, in welchem Format und welcher Qualität sie die Songs downloaden – von MP3 bis CD-Qualität. Interessant für jene, denen die komprimierte Ware von iTunes oder Spotify nicht genügt. Rund die Hälfte der Käufer zahlt angeblich freiwillig mehr für die Musik. Einfach weil sie wissen, dass das Geld nicht in fremde Taschen fliesst.
Kein Label und kein Zwischenvertrieb, der absahnt. Bandcamp selber verdient 15 Prozent des Preises, das ist halb soviel, wie iTunes einstreicht. Die Plattform wird nie das nächste grosse Ding werden – nur schon, weil es die (noch) mächtigen Plattenmultis gegen sich hat.
Doch in der Nische lässt es sich gedeihen: Bandcamp deckt das wachsende Bedürfnis nach einem seriösen und unabhängigen Musikvertrieb ab. Wie die Plattenläden um die Ecke, von denen es immer weniger gibt.