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Eine Bühne voller durchsichtiger und schemenhafter Figuren.
Legende: Jeder zweite hat sie, fast keiner spricht darüber: Bühnenangst ist für Berufsmusiker ein existenzielles Problem. Getty Images

Musik Bühnenangst? Lampenfieber-Ambulanz verspricht schnelle Hilfe

Die Hälfte aller Berufsmusiker sind betroffen, aber kaum jemand spricht darüber: Bühnenangst, auch Lampenfieber genannt. Klingt harmlos, ist aber ein existenzielles Problem. Wer Angst hat, gilt als inkompetent und fürchtet, nicht mehr gebucht zu werden. Eine Psychiaterin verspricht schnelle Hilfe.

Der Atem rast, das Herz schlägt bis zum Hals, der Bogen beginnt zu zittern. So beschreibt Musikstudent M. seine letzte Erfahrung bei einem Auftritt an der Musikhochschule vor Kolleginnen und Kollegen: «Ich fühlte mich wie ein Anfänger, obwohl ich seit drei Jahren studiere und das Lampenfieber in den Griff kriegen müsste.»

Der Musiker spricht über seine Bühnenangst, während der Grossteil der Betroffenen schweigt. Lampenfieber ist ein Tabu, obwohl es schätzungsweise jeden zweiten Berufsmusiker trifft, Männer wie Frauen. «Wer Angst hat und das eingesteht, gilt als schwach und gerät unter Verdacht, für diesen Beruf nicht geeignet zu sein», sagt eine Sängerin.

Angst vor der Angst, ein Teufelskreis

Viele Musiker greifen zum Beta-Blocker, der die Symptome mildert, andere trinken Alkohol, dritte essen Bananen und schwören auf einen geregelten Tagesablauf. Das sind Strategien, um auf dem Markt zu überleben. Das nächste Probespiel vor einem Orchester ist bereits das neunte, erzählt eine Bratschistin. Sie kennt das Prozedere inzwischen, spricht vom «Spiessrutenlauf» und überlegt sich, ob sie sich weiterhin bewerben soll. Bisher hat sie es noch nie in die zweite Runde geschafft. «Das verunsichert, und ich zweifle inzwischen an meinen Fähigkeiten.»

Dr. Déirdre Mahkorn

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Porträtaufnahme von Déirdre Mahkorn
Legende: zvg

Psychiaterin und Neurologin. Mahkorn hat 2010 am Universitätsklinikum Bonn die erste Lampenfieber-Ambulanz in Deutschland gegründet.

Die Selbstentwertung ist allen gemeinsam, die Bühnenangst haben. Gepaart mit dem meist verinnerlichten Perfektionismus sind Berufsmusiker besonders anfällig für Versagensangst. Ein Teufelskreis kommt in Gang, der nur durch ein nachhaltiges Umdenken und damit verbundene praktische Übungen gestoppt werden kann. «Das Wichtigste ist, mit dem Vermeiden gar nicht erst anzufangen», sagt Psychiaterin Déirdre Mahkorn, die die «Lampenfieber-Ambulanz» gegründet hat.

Vermeiden und Flucht verschlimmern die Angst, darum animiert Mahkorn zu Auftritten in den unterschiedlichsten Formaten: in Schulen, auf Strassen, in Alterszentren – möglichst oft sollen sich Betroffene konfrontieren, etwa auch mit der «besonders gefürchteten» Kombination von Spielen bzw. Singen und Moderieren.

Therapie durch Konfrontation

Die Konfrontationsübungen führt sie neu auch in ihrer Spezialpraxis in Köln durch. Dort steht im grosszügigen Eingangsbereich ein Flügel, ausserdem ist Platz vorhanden für ein kleines Publikum.

Eine Sängerin bringt beispielsweise Menschen aus dem Freundeskreis mit, und will mit ihrem Begleiter sofort anfangen. Aber: Hier gilt es die Rituale zu beachten, die im Rahmen einer Therapie erschlossen werden. Die Konfrontationsübung folgt dem Modell «Denken–Fühlen–Handeln» und beginnt jeweils mit einem Auftakt: Wer auftritt, teilt den Zuhörenden mit, was er oder sie im Moment des Vornestehens denkt, was er oder sie fühlt, und was er oder sie nun tun wird. Die Sängerin erklärt, dass sie diese Arie eigentlich längst auswendig können sollte, sie fühlt sich «schlecht», weil sie beim letzten Mal im Konzert «einen Aussetzer» hatte und sie hat jetzt vor, es trotzdem auswendig zu versuchen.

Kettenreaktion stoppen

Das Denken-Fühlen-Handeln-Modell orientiert sich an der Verhaltensphysiologie und jener Überzeugung, dass ein schlechter Gedanke ein schlechtes Gefühl erzeugt. So genannt dysfunktionale (abträgliche) Gedanken und insbesondere Grundüberzeugungen steuern die Emotion und haben Auswirkungen auf das Verhalten.

Im Falle der Bühnenangst könnte die Kettenreaktion zum Beispiel so verlaufen: «Ich bin mittelmässig und fühle mich darum den künstlerischen Herausforderungen nicht gewachsen. Diese Feststellung verunsichert mich und darum habe ich Angst.» Hier setzt Mahkorn an und hat mit ihrer Zielgruppe inzwischen verschiedene kognitiv-behaviorale Therapieprogramme ausprobiert.

Die Therapieform ist nicht unumstritten

Therapie heisst Veränderung im Denken, Fühlen, Handeln. Die Verhaltenspsychologie stösst – wie andere Richtungen auch – auf Kritik. Verhaltensänderungen gingen am Kern der Angst vorbei und seien lediglich Massnahmen auf die Schnelle – während die Psychoanalyse Zeit brauche und Menschen tiefgreifend mit den eigenen Mustern konfrontiere.

«Ich habe nichts gegen die Psychoanalyse», entgegnet Déirdre Mahkorn, «Betroffene sollen wählen können, welchen Weg sie einschlagen. Mein Ziel ist es, ihre Lebensqualität zu verbessern und das möglichst schnell.» Ein erster Schritt ist die reale Einschätzung eigener Fähigkeiten anstelle von Phantasien über das Versagen.

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