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Eine Prostituierte geht aus einem Haus. Das Foto ist schwarz-weiss.
Legende: Verlorene Seele oder selbstbewusste Verkäuferin? «Love for Sale» zeigt die Ambiguität einer Prostituierten. Imago

Musik Das Lied einer Prostituierten wickelt uns bis heute um den Finger

1930. Im Musical «The New Yorkers» singt eine weisse Prostituierte den Song «Love for Sale». Publikum und Kritiker sind entsetzt. Unsittlich sei das. Die Prostituierte wird durch eine schwarze ersetzt, der Song vom Radio verbannt, aber nicht vergessen: Das Lied wurde über 1000 Mal neu interpretiert.

Er provozierte einfach gerne, der Mann. Cole Porter, Komponist und Texter von unzähligen Broadway-Musicals, lässt 1930 in seinem neuesten Streich «The New Yorkers» eine Prostituierte auftreten. Eine weisse Prostituierte dann noch, unterwegs in der vornehmen Upper East Side. Ausgerechnet 1930, als die Hollywood-Studios Unsittlichkeiten aller Art von der Leinwand verbannten und sich dem so genannten Hays Code unterwarfen, einer Art freiwilligen Selbstzensur.

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Der Reiz des Verbotenen

Eine weisse Frau, die über «Love For Sale» singt? Und das in einer ehrbaren Gegend? Unmöglich! Das war zu viel für das Publikum damals. Auch die Kritiker empörten sich. Dem Bühnenstück drohte der Flop. Hastig ersetzten die Produzenten die weisse mit einer afroamerikanischen Schauspielerin und verlegten die Szene nach Harlem. Die Aktion – aus heutiger Sicht ja ziemlich fragwürdig – rettete das Musical «The New Yorkers» und ermöglichte immerhin über 150 Vorführungen. Damit kam das Musical sehr glimpflich davon: Die erste Studio-Version des Songs wurde gleich ganz vom Radio verbannt.

Cole Porter im Porträt.
Legende: Cole Porter musste seinen sexuelle Neigung verstecken. Keystone

Das Ende des Lieds war das aber keineswegs. Im Gegenteil: Die verbotene Aufnahme kletterte auf Platz fünf in den Charts. Bis heute gehört der Song zu den meistgespielten überhaupt. Über 1000 Versionen gibt es davon. Ein Ende ist nicht absehbar. Doch warum?

Liebesheirat zwischen Text und Musik

Die Antwort ist einfach: Der Text ist genial mehrschichtig. Das Ich im Text ist zugleich Täterin und Opfer, selbstbewusste Verführerin und verlorene Seele auf der Suche nach der wahren Liebe. Es ist eine starke Frau oder eine geplagte. Und die Musik, wie in jedem guten Song, stützt diese Ambiguität hervorragend, im subtilen Wechsel zwischen Dur und Moll, den Cole Porter so meisterlich beherrscht.

Bis heute verführerisch

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Diese Qualität macht aus dem Song bis heute einen Prüfstein für alle. Die grosse Diva Ella Fitzgerald trällert den Song wie irgendein Liebeslied. Shirley Horn hingegen tönt so verführerisch, dass sie jeder Edel-Kurtisane Konkurrenz machen würde. Und der junge Brite Jamie Cullum verwandelt den Song in eine persönliche Suche nach der wahren Liebe. Es gibt kaum einen anderen Song, der die Musikerinnen und Musiker bis heute so oft verführt hat, etwas Neues daraus zu machen. Immer und immer wieder.

Die wahre Liebe von Cole Porter selbst war übrigens die Musik – und «Love For Sale» war sein Lieblingsstück, nach eigenen Angaben. Ein vielsagendes Urteil für einen, der seine Homosexualität noch hinter einer gutbürgerlichen Heirat verstecken musste.

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