Die Klassische Musik hat Staub angesetzt. Die Diagnose ist nicht neu, ebenso wenig wie die Forderung: der Staub muss weg.
Es gibt viele, die sich der Entstaubung der Klassik-Szene verschrieben haben. Aber wenige arbeiten so konsequent und so leidenschaftlich an dieser Erneuerung wie David Greilsammer. Der 35jährige Musiker hat sich einen Namen gemacht als Brückenbauer auf ganz verschiedenen Ebenen.
Brücken zwischen alt und neu
Konzerte und CDs, die ausschliesslich der Musik der altbekannten Komponisten gewidmet sind – das gibt’s bei David Greilsammer praktisch nie. Zu seinen Spezialitäten gehört es, die alten Meister mit der Musik der Gegenwart zu verbinden.
Seine CD «Baroque conversation» ist exemplarisch für diese Kunst des Brückenbaus. Da steht Jean Philippe Rameau neben Morton Feldman, Georg Friedrich Händel neben Helmut Lachermann. Monatelang hat David Greilsammer nach Stücken gesucht, die zusammenpassen – das Resultat ist ein wahrer Ohrenöffner.
Und dieses Hand-in-Hand von alt und neu macht David Greilsammer auch in seinen Konzertprogrammen zum Prinzip. Zum Beispiel als Chefdirigent des Orchestre de Chambre de Genève. Da gibt’s im ganzen Saisonprogramm kaum ein Konzert ohne zeitgenössische Musik. Und immer wirft die neue Musik ein helles Licht auf die alte und umgekehrt.
Brücken zum Publikum
Aber wie gelangt ein innovativer Musiker mit solchen Programmen an ein neues Publikum? Es findet den Weg in die traditionellen Konzertsäle nicht einfach so, das weiss auch David Greilsammer. Die Schwelle ist nach wie vor zu hoch dafür.
«Wir können als klassische Musiker nicht immer erwarten, dass das Publikum nach unseren Regeln spielt», sagt er. «Wer von der Arbeit oder aus der Schule kommt, mag sich nicht noch umziehen vor einem Konzert. Wir müssen es den Leuten, die klassische Musik hören möchten, einfacher machen.»
David Greilsammer geht deshalb so oft wie möglich raus aus der feierlichen Atmosphäre des Konzertsaals – und aufs Publikum zu. Er tritt schon mal im alternativen Genfer Kulturzentrum «L’Usine» auf. Oder er holt das Publikum mit seinem Orchester gleich am Genfer Flughafen ab – dirigiert spät abends mitten in einem Terminal Musik von Maurice Ravel und John Adams.
Brückenbauer auch im Nahen Osten?
Als Pianist und Dirigent, der in Israel aufgewachsen ist und ausgebildet wurde, hat David Greilsammer viel gemeinsam mit einem Musiker, der genau doppelt so alt ist wie er: mit Daniel Barenboim.
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Der Altmeister hat in den letzten Jahren wiederholt mit seinem politischen Engagement im Nahen Osten von sich reden gemacht. Er bringt in seinem West Eastern Divan Orchestra Musikerinnen und Musiker aus Israel, Palästina, Syrien und dem Libanon zusammen. Und er exponiert sich immer wieder mit israel-kritischen Aussagen zum Nahostkonflikt.
Kann sich David Greilsammer ein solches Engagement auch vorstellen? Ja, sagt er. Seine Sicht auf den Nahostkonflikt sei im Wesentlichen die selbe wie die von Barenboim, und er habe kein Problem damit, das öffentlich zu sagen.
Aber eins möchte er vermeiden: dass die Musik zu politischen Zwecken missbraucht wird. «Musik ist Musik, Politik ist Politik», sagt er. Will heissen: David Greilsammer baut nicht Brücken um jeden Preis. Wo die Integrität der Musik gefährdet ist, hat für ihn das Brückenbauen ein Ende.