Im nächsten April wird er 50 Jahre alt, der Freiburger Trompeter Matthieu Michel, und eigentlich ist er immer noch ein Geheimtipp. Daran allerdings ist er selber am meisten schuld. Matthieu Michel drängt sich nicht in den Vordergrund, wenn er spielt, sitzt er, lieber nicht am Bühnenrand, sondern eher hinten. Musiker wie ihn nennt man im Jazzjargon «Musician’s Musician». Einer, den alle seine Kollegen kennen, von ihm schwärmen und ihn engagieren wollen, der in der Publikumswahrnehmung aber wenig Spuren hinterlassen hat.
Sohn des Obermusikanten im Dorf
Vielleicht liegt das an Matthieu Michels Herkunft. Aufgewachsen ist er in der Dorfbeiz eines 300-Seelen-Kaffs im Freiburgischen und irgendwie sieht man ihm diese ländliche Abstammung immer noch an. Er hat nichts von einem Bohemien, viel mehr könnte man ihn für einen Bauern halten.
Im Hause Michel wurde musiziert. Obermusikant war der Vater, nicht nur zu Hause, sondern im ganzen Dorf: Er leitete den Männerchor, den gemischten Chor, die Fanfare, er spielte Tanzmusik auf dem Akkordeon und er unterrichtete die Kinder des Dorfes auf allen möglichen Instrumenten. Der Erfolg blieb nicht aus: Alle drei Söhne wurden Berufsmusiker, Matthieu Michels Brüder in der klassischen Musik.
Das Vienna Art Orchestra macht wählerisch
Matthieu Michels Weg allerdings ging nicht sofort auf eine Musikerkarriere zu. Zuerst lernte er Schreiner, erst dann ging er nach Berlin, um bei Americo Belotto zu studieren. Diesen Lehrer hatte er gewählt, weil er ihm den Weg zum Leadtrompeter, zum ersten Trompeter in einer Big Band, weisen konnte. Grossorchestraler Jazz interessierte ihn.
Mittlerweile spielt Michel nur noch selten in Big Bands. Ab 1993 bis zu dessen Ende (2010) war er Mitglied des Vienna Art Orchestra. Es sei die Top-of-Top-Band, wie er selber meint, wer dort gespielt hat, wird wählerisch. Dafür ist der Improvisator Matthieu Michel umso gefragter, viele Musiker veredeln ihre CDs mit ein paar Soli des Westschweizers.
Keine Eitelkeit, die ihn ins Rampenlicht drängt
Ob Matthieu Michel allerdings je die ultimative CD machen wird, auf der er uns seine musikalische Welt zeigt, ist fraglich. In einem gewissen Alter verschieben sich die Prioritäten, persönliches Glück wird wichtiger, berufliche Ambitionen nehmen ab. Und einer, der immer fast übertrieben uneitel war, wird in der zweiten Lebenshälfte kaum das Rampenlicht suchen.