Weniger als vier Minuten dauerte der Auftritt am 12. März 2009 in der Londoner O2-Arena: Im Juli werde er in dieser Halle zehn Comeback-Konzerte geben, erklärte Michael Jackson. Es würden seine «letzten in London» sein.
Wer glaubte, die Krone des selbsternannten «King of Pop» sei während seiner langen Stille heruntergefallen, sah sich bald eines Besseren belehrt. Dermassen fulminant war die Nachfrage nach Tickets, dass sich zehn Vorstellungen alsbald in deren fünfzig verwandelten. Bis die erste Million Tickets verkauft waren, vergingen nicht einmal zwei Stunden.
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Dieser Ansturm war nicht zu erwarten gewesen. In seinen ganz grossen Zeiten von «Thriller» bis «Dangerous» (1982 bis 1991) hatte Jackson die Gerüchte, die um ihn rankten, zum Teil selber gestreut und gesteuert. Längst hatten sie sich selbständig gemacht.
Eine Schicht Russ auf dem Stern
Dazu hatte sich das soziale Klima verändert. Der schrille Hedonismus der 70er-Jahre war einem Konservativismus gewichen, dem jede Form von Exzentrizität ein Dorn im Auge war. Jackson, der bunteste Paradiesvogel weit und breit, mutierte zum Feindbild. Überall kursierten schadenfreudige Gerüchte über Gesundheit, Drogensucht, Finanzmangel und Vaterschaft seiner Kinder – ganz zu schweigen von den schliesslich klar widerlegten Vorwürfen des Kindesmissbrauches.
Für viele Fans wurde Jackson dadurch erst zur Identifikationsfigur: Sie erkannten in ihm einen Aussenseiter, der allen Widrigkeiten zum Trotz zu seiner Vision stand. In der restlichen Welt schien es, über die Erinnerung an den King of Pop habe sich eine Russschicht gelegt.
Ein Pionier wird wiederentdeckt
Wahre, überlebensgrosse, genialische Popstars sind – da war man sich schon im Frühling 2009 einig – unterdessen dünn gesät. Von den alten Helden war Michael Jackson der jüngste. Und jetzt, am 25. Juni 2009, war er tot. Rund um die Uhr, auf allen Kanälen war tagelang nur noch Michael Jackson zu sehen. Der Russ war weggeputzt. Wie nur hatte man dieses Genie so vergessen können?
Auf einmal erkannte man überall seinen Einfluss: in den funkigen Beats zeitgenössischer R&B-Produzenten etwa, oder in Videos, die als Gesamtkunstwerk und nicht einfach als Werbespot konzipiert waren. Die Welt wurde von einer MJ-Welle überrollt. Wer kein Fan war, hatte «Thriller», «Billie Jean» und die anderen zwei, drei Songs, die bis zum Gehtnichtmehr liefen, bald wieder so satt wie schon einmal in den 80er-Jahren.
Ein Film, Millionen von Dollars
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Exakt vier Monate vergingen zwischen der Todesnachricht und der öffentlichen Premiere von «This Is It». Der Film besteht aus Aufnahmen, mit denen die Proben für die Londoner O2-Shows in Los Angeles dokumentiert wurden. Das Material soll nur für den privaten Gebrauch gedacht gewesen sein.
Dieser vermeintliche Verrat sowie die Hast der Veröffentlichung löste Proteste aus: Man warf den Verantwortlichen vor, ohne Pietät und aus Geldgier gehandelt zu haben. Die erwachsenen Hinterbliebenen von Michael Jackson schürten diesen Eindruck mit ihren endlosen Streitereien.
Dabei hatte auch Mutter Jackson den Vertrag unterzeichnet, welcher der Firma Sony zehn postume Werke versprach und den Jacksons 250 Millionen Dollar eintrug. Unvorstellbar, dass ein postum erschienenes Jackson-Werk ohne die Einwilligung aus dem engsten Familienkreis hätte geschehen können.
Ein versöhnliches Ende
Fünf Jahre sind verstrichen seit dem Tod von Michael Jackson. Jetzt endlich ist etwas Ruhe eingekehrt. Dem vor Kurzem veröffentlichten postumen Album «Xscape» wurde auch von Fans mehrheitlich Respekt entgegengebracht. Am Radio und TV hat sich die Anzahl der Jackson’schen Evergreens auf ein humanes Niveau eingepegelt. Und «This Is It» kann genossen werden, ohne dass man gleich an die Beerdingsungsfeier und Streit um Dollars denken müsste.
Was bleibt, ist ein hoch spannender Film, der die Entstehung einer komplexen Show zeigt. In dessen Mittelpunkt schafft Michael Jackson den Spagat zwischen charismatischer Diva und genialischem Handwerker. Am Schluss ist klar: Es wäre die Show des Jahrzehntes geworden.