Grosse Augen, wallende, lange Haare, einen unschuldigen Blick, kaum geschminkt – so präsentiert sich Vilde Frang auf ihren Album-Covers und auf den Pressefotos. Sie ist kein Geigen-Girlie.
Das merkt man auch auf der Rückseite der CD: Da stehen Werke wie Béla Bartóks Sonate für Violine Solo, ein kantiges Werk und technisch unheimlich anspruchsvoll. Oder Werke von Richard Strauss, Edvard Grieg oder Sergei Prokofjew. Nicht gerade alltägliche Werke, die die junge Geigerin auf dem Weg hinauf in den Geigenolymp begleiten.
Sie spielt nicht für das Publikum, sondern für die Musik
Aber Vilde Frang hat ihren eigenen Kopf und setzt sich durch: «Wenn ich meiner Agentur sage, ich möchte das Britten-Konzert, das Korngold- oder Schönberg-Konzert spielen, dann sagen sie mir: Weisst du, das lässt sich nicht verkaufen, das ist nicht publikumsfreundlich. Aber ich glaube, das spielt weder fürs Publikum noch für mich eine Rolle, denn ich sehe mich als Pilgerin mit einer Mission, als Repräsentantin des Werkes. Und dabei zählt allein die Leidenschaft.»
Sendung zum Thema
Es geht Vilde Frang einzig und allein um das Werk, um die Musik. Ihr visuelles Image überlässt sie anderen und Kritiken ignoriert sie – aus einem ganz bestimmten Grund: «Die Menschen sehen Dinge in mir, deren ich mir nicht bewusst bin. Und dieses ‹Nicht-Bewusstsein› möchte ich unbedingt bewahren. Weil es mir nur so möglich ist, von meiner Warte aus Dinge in mir selbst zu entdecken.»
Erfolgreich und mit beiden Beinen auf dem Boden
Vilde Frang hat riesiges Vertrauen in sich selbst. Aber sie ist auf dem Boden geblieben – trotz grosser Erfolge wie der Credit Suisse Young Artist Award 2012, zahlreicher Auszeichnungen für ihre Aufnahmen oder gemeinsamer Konzerte mit Anne-Sophie Mutter.
Die Norwegerin ist 1986 in Oslo geboren. Der Vater ist Kontrabassist, die Schwester auch. So ist auch für die kleine Vilde bald einmal klar: Auch ich will Kontrabass spielen. Es kommt aber anders, erzählt die Geigerin: «Mein Vater hat das verhindert, weil er fand: Wir haben zu viele Kontrabässe und wenn wir in die Ferien fahren, ist unser Auto zu klein für drei Bässe.»
Mozart mit vier, Bach mit zehn Jahren
Dass der Vater ihr dann eine Geige in die Hände gedrückt hat, machte ihr nichts aus. Wichtig war ihr nur, dass sie sich musikalisch ausdrücken konnte. Und nach und nach taucht sie mit Haut und Haaren in die klassische Musikwelt ein: Mozart als 4-Jährige entdeckt, als 10-Jährige Bach, was sie als sehr spät empfindet, und mit 14 Strauss und Mahler.
Ganz besonders mag sie auch die Oper. Manchmal fühlt sie sich sogar auf der Bühne eher als Sängerin denn als Geigerin. Obwohl sie die klassische Musik fasziniert: Es gab in ihrer Kindheit immer wieder Momente, in denen sie richtig Angst hatte. Dann nämlich, wenn sie langsame Sätze hören musste: «Langsame Sätze liessen mich ausflippen. Ich war sehr sensibel. Also haben meine Eltern aufgehört langsame Sätze zu spielen für die ersten sieben Jahre meines Lebens.»
Horrorfilme und das Paradies
Und auch heute noch gibt es ab und zu diese Momente, beim Fernsehen etwa: «Ich kann problemlos einen Horrorfilm ohne Musik anschauen. Aber mit Musik macht mir das einfach Angst.»
Vilde Frang erinnert sich gerne an ihre Heimat zurück, an Norwegen und den gemütlichen Lebensstil. Sie bezeichnet ihre Heimat sogar als «Paradies, geschützt vor der Aussenwelt», mit der schönen Natur, dem klaren Wasser.
Unter den Fittichen von Anne-Sophie Mutter
Aber als 17-Jährige bricht Vilde Frang aus dieser paradiesischen Käseglocke aus, um sich musikalisch weiterzuentwickeln. Deutschland ist das Ziel, wo ihre Lehrer Kolja Blacher und Ana Chumachenko, die «Hillary Clinton» der Geigenlehrerinnen, wie Vilde Frang sie nennt, unterrichten.
Auch Anne-Sophie Mutter hat ein Auge auf sie geworfen, nimmt sie als Stipendiatin ihrer Stiftung unter die Fittiche. Und doch sagt sie nach zehn Jahren Deutschland: «Ich bin nicht zuhause, ich gehe nach Hause». Heim nach Norwegen, wohin sie irgendeinmal zurückkehren und eine Familie gründen will. Aber jetzt tourt sie erst mal noch ein paar Jahre durch die Welt – mit vielen ungewöhnlichen Werken im Gepäck.