Das erste Saxophon, das Phil Woods in seinem Leben sieht, gehört einem Bestatter. Der Bestatter ist sein Onkel, und der 12-jährige Phil stösst auf das Instrument, als der Bestatter selber im Sterben liegt. Und klein Phil hat nur einen Gedanken: Einschmelzen könnte man das, und Zinnsoldaten giessen daraus.
Ein steiniger Weg
Mit den Zinnsoldaten wird dann nichts, das weiss seine Mutter zu verhindern. Etwas Neues entsteht aber dennoch aus dem alten Saxophon: Phil wird nach nur einer Saxophon-Stunde regelrecht süchtig nach dem Instrument und entlockt dem alten Metall schliesslich einen neuen Sound, der weit über die Jazz-Welt hinausstrahlt – das beste Beispiel dafür ist sein Solo für Billy Joel auf dem Superhit «Just the Way You Are».
Vom 12-jährigen Phil bis zum 46-jährigen Studio-Saxophonisten für Stars wie Billy Joel, Paul Simon oder Donald Fagen (Steely Dan) ist es allerdings ein weiter und manchmal auch steiniger Weg. Noch als Teenager fährt Phil Woods oft mit dem Bus von Springfield, Massachusetts, nach New York City, wo er Jazzclubs besucht und Stunden nimmt beim blinden Pianisten und Jazz-Guru Lennie Tristano. Später studiert er vier Jahre klassische Musik an der Juilliard High School in New York und hat bald viel Arbeit, weil er ebenso flink vom Blatt liest, wie er improvisiert.
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Nicht richtig glücklich – noch nicht
Mit 25 wird er von Bebop-Gott Dizzy Gillespie unter die Fittiche genommen und erhält bald den Übernamen «The New Bird». «Bird», so hiess Charlie Parker, der mit Dizzy Gillespie und anderen zusammen die Bebop-Revolution vorangetrieben hatte. Phil Woods wird also zum neuen Charlie Parker und scheint im Jazz-Olymp angekommen. Er heiratet später sogar die Witwe von Charlie Parker, Chan.
Richtig glücklich wird er dennoch nicht. Noch nicht. Er hat zwar eine makellose Technik, kann alles spielen und kopiert die musikalische Sprache von Charlie Parker nicht einfach, sondern entwickelt sie weiter. Ende der 1960er-Jahre aber zieht er nach Frankreich, weil er den Alltag des Studiomusikers in New York satt hat. Und vielleicht auch, um der Hektik etwas zu entfliehen: Phil Woods spielt alles, von Musik für Spielfilme über Studiojobs für Aretha Franklin bis zu Werbejingles. Aber sein eigenes Ding macht er noch nicht.
Eine der wichtigsten Jazzstimmen
Von Paris aus gewinnt Phil Woods dann aber schnell an Profil, vor allem zusammen mit dem Basler Pianisten George Gruntz und dessen Rhythmus-Gruppe, Henri Texier am Bass und Daniel Humair am Schlagzeug. «Phil Woods and his European Rhythm Machine» ist ein Grosserfolg, lässt Phil Woods durchstarten und zu einer der wichtigsten Stimmen werden im Jazz der 70er-, 80er- und 90er-Jahre, mit Grammy-Nominierungen und -Siegen à discrétion. Mit den Zinnsoldaten wurde es zwar nichts – aber sein Traum, auf dem Saxophon nach seinem Gusto zu spielen, erfüllte sich voll und ganz.