Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was da auf mich zukommen würde. Es gab zwei Probleme – das erste: Ich habe ein Diplom als Klassiktonmeister. Mit Jazz hatte ich in meinem Studium und beruflich nicht das Geringste zu tun gehabt, das war immer meine Zweitbeschäftigung. Aber hier in Zürich gab es einfach noch keine Spezialisten, und so hiess es: ‹Du spielst ja selber, du musst Jazz aufnehmen!› Und dann musst ich’s halt. Das zweite Problem war: Es gab keine Mikrofonprobe.
«Dann gab es keine Mikrofonprobe»
Klar, das kannte ich auch schon von früheren Aufnahmen. Wenn prominente Amerikaner auf Europa-Tournee vorbeikamen und es hiess: ‹Wir machen da einen Mitschnitt›, dann gab es keine Mikrofonprobe. Solche Tourneen sind wahnsinnig anstrengend für die Künstler, die kommen vom Flughafen, werden ins Hotel geführt und wissen: um sechs Uhr da sein, dann gibt’s was zu essen, und dann auf die Bühne. Ich habe das mit Thelonious Monk erlebt, oder mit Duke Ellington. Die hatten ihr letztes Konzert einer Europa-Tournee, und als die auf die Bühne schlenderten, da legte sich jeder in eine Ecke und schlief ein.
«Ich habe meinen Ohren nicht getraut»
Dann muss man einfach Mikrofone hinstellen und aus der Erfahrung einschätzen: Wieviel könnte von dem Mikrofon kommen? Und: Geh mal mit dem eher Pegel tief, ihn dann im Studio anheben, das lässt sich immer noch. Und das hab ich hier auch gemacht.
Ich habe vielleicht fünf, sechs Mikrofone aufgestellt und dann, vielleicht nach drei Minuten, hatte ich eine Balance und dann wusste ich: Jetzt können sie von mir aus drei Stunden spielen – jetzt hab ich’s!
Trotzdem war ich dann sehr besorgt, als der Leiter Lizenzverkauf Etienne Bujard sagte: ‹Deine Aufnahme, die kommt raus.› Da hab ich gesagt: ‹Der Anfang ist im Eimer!› Und als ich das dann zum ersten Mal gehört habe vor ein paar Wochen, habe ich meinen Ohren nicht getraut. Der Anfang ist vollkommen in Ordnung! Ich nehme an, dass meine Einstellung im Prinzip schon ganz gut war. Und dann haben die Leute in New York den Pegel sehr geschickt angehoben.
«Das ist genial»
Nicht alles, was Miles in seiner Rock-Phase gemacht hat, finde ich gut. Aber vieles ist grossartig. Und grossartig war auch das Konzert in Dietikon. Miles hat in dieser Phase einfach mal geschaut, wie weit er gehen kann.
Und vor allem was sein Pianist da spielt, Keith Jarrett, das war einfach umwerfend. Jarrett spielt bei Miles Davis ja Fender Rhodes, keinen Konzertflügel. Und er hat später immer gesagt, wie schlimm das war für ihn, auf einem elektrischen Klavier zu spielen. Aber was er da spielt! Wie genau er da den anderen zuhört, und wie er dazu begleitet, und dann seine schnellen Läufe mit seiner unglaublichen Technik. Wie ein Wasserfall kommt das da runter, das ist genial.