Die Jahrmarktorgel gehört Henning Ballmann, der seit rund 20 Jahren damit unterwegs ist. Er hatte sie als kleiner Junge immer wieder gesehen und gehört, wenn er mit den Eltern in Holland in den Ferien war. Klang und Mechanik faszinierten den 7-Jährigen. Er beschloss, dass diese Orgel einmal seine eigene sein würde. Und so kam es: Als der Besitzer 80 wurde, schenkte er dem inzwischen 20-jährigen Henning Ballmann die holländische Jahrmarktorgel.
Zehn neue Kompositionen auf Kartonkarten
Heute ist die Orgel 113 Jahre alt. Wer sich darunter eine Art Leierkasten vorstellt, liegt falsch: 3.5 Meter breit und 2.5 Meter hoch ist sie: ein Rieseninstrument mit neobarock-verziertem Prospekt, bestückt mit Figuren, die sich im Takt der Musik bewegen. Die Orgel ist begehbar und offenbart ein spannendes Innenleben: Robuste Holzpfeifen stehen in Reih und Glied, ein Riesenbalg produziert die Luft oder den «Wind», wie man in der Orgelsprache sagt.
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Normalerweise spielt Henning Ballmann populäre Opern- oder Orchestermelodien auf seinem Instrument und tritt damit an Märkten, an der «Chilbi» und auf Festen auf. Fürs Musikfestival Bern ist alles anders.
Zehn Komponisten schrieben je ein Stück für die Jahrmarktorgel. Sie schickten Ballmann die Partitur, und er übertrug diese brandneue Musik mit einem Lochsystem auf Kartonkarten. Eine aufwendige Arbeit. Für einen Takt kann Ballman schon mal einen ganzen Tag herumtüfteln.
Zukunftsmusik mit Nostalgie
Die Komponisten, die für die Jahrmarktorgel Stücke schrieben, darunter Heinz Holliger, Urban Mäder und Wael Sami Elkohly, haben alle einen ganz eigenen Zugang zum Instrument gefunden. Jede der zehn Kompositionen ist auf ihre Weise avantgardistisch – mit einem Hauch von Vergangenheit.
Der Nostalgie des Leierkastenklanges kann kaum einer entkommen. Und so verbinden sich in Bern scheppernde Jahrmarktklänge mit zeitgenössischen Partituren zu innovativer Zukunftsmusik.