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Eine Frau, die pfeift und schnipst.
Legende: Seit Elvis auch in Europa salonfähig: Das Pfeifen. Getty Images

Musik Eine kleine Kulturgeschichte des Pfeifens

Manchmal merken wir es kaum, wenn wir pfeifen – Pfeifen ist Teil unseres Alltags. Nur vermeintlich handelt es sich dabei um eine banale musikalische Tätigkeit: Pfeifen war lange tabu und stand nicht immer für Fröhlichkeit und Müssiggang.

Ein verflixter Ohrwurm ist sie, die gepfiffene Melodie von Sebalters Song «Hunters of Stars». Am diesjährigen Eurovison Song Contest hat der Tessiner der Schweiz damit das beste Ergebnis seit Jahren beschert. Die unbeschwert-fröhliche Pfeifmelodie ist der Hinhörer seines Liedes.

Unter der Dusche und im Keller

Ginge Sebalter einfach pfeifend an uns vorbei, würden wir ihn wahrscheinlich nicht gross bemerken. Denn gepfiffene Melodiefetzen sind selbstverständlicher Teil unserer Alltagklänge und bleiben oft unbeachtet.

Anders als Singen oder Sprechen steht das Pfeifen für etwas Beiläufiges und hat oft keinen Adressaten. Wir pfeifen für uns alleine, auf dem Velo, unter der Dusche: Weil wir fröhlich sind, um uns in einem dunklen Keller die Angst zu vertreiben, oder wenn wir tagträumerisch durch die Welt schlendern.

«Pfeifen kommt und geht und ist so unbewusst, dass wir es oft gar nicht bemerken. Es ist eine Art Selbstunterhaltung – und die gehört als Überlebensstrategie zu unserem Alltag», sagt der Schweizer Performancekünstler Valerian Maly. Sein halbes Leben hat er sich schon mit dem Pfeifen beschäftigt.

Pfeifen galt lange als vulgär

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Gerade weil das Pfeifen so unkontrolliert und beiläufig geschieht, ist seine Geschichte geprägt von Ängsten und Tabus. In verschiedenen Kulturen heisst es, das Pfeifen würden den Teufel, die dunklen Geister und die Dämonen anlocken. Ein musikgeschichtlicher Beweis: In Arrigo Boitos Oper «Mefistofele» von 1875 ist es der Teufel selbst, der seine «Ballata del Fischio» mit drei schaurigen Pfiffen besiegelt.

In der Gesellschaftsgeschichte galt das Pfeifen lange als eine vulgäre Aktivität des Pöbels. Vornehme Männer pfiffen höchstens heimlich. Und weil die Norm der höheren Gesellschaftsschichten für Mädchen besonders verbindlich war, schickte es für sie erst recht nicht, sich selbstvergessen auf der Strasse ein Liedchen zu pfeifen.

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Ein Zeichen der Enthemmung sei es, ein verführerischer Lockruf (mit zum Kuss gespitzten Lippen!), ja es sei gar so unnatürlich wie ein krähendes Huhn. Und so hören manche noch ihre Grossmütter mahnen: «Mädchen, die pfeifen, Hühnern, die krähen, soll man bei Zeiten den Hals herumdrehen.»

Zwischen Tabubruch und Propaganda

Eine Zeichnung von drei Männern, die mit den Fingern im Mund pfeifen.
Legende: Das gepflegte Pfeifen – eine Stilfrage. Notes from a defeatist

Erst in den 1940er-Jahren brach die Sängerin und Schauspielerin Ilse Werner das Pfeiftabu für Frauen. Ihr frech-rebellisches Image machte sie zum Star – und zum Männeridol in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die pfeifende Ilse war aber auch Teil eines Propagandakonzepts der Nazis: Während der Krieg wütete, sollte sie aufbauendes Mittel sein, ablenken und die Soldaten mit seichter Unterhaltung bei Laune behalten.

Der Performancekünstler Valerian Maly sieht in ihrer Funktion eine Doppelbödigkeit: «Ilse Werner überdeckt mit ihrer gewollten Fröhlichkeit die Abgründe des Krieges.» Hier trifft die Redewendung «Pfeifen im Walde» zu. Das heisst: In einer bedrohlichen Situation macht man sich durch fröhliches Gepfeife Mut – und kaschiert damit seine Angst.

Beifall oder Empörung?

Auch in anderen Lebensbereichen ist das Pfeifen ambivalent. Ein simples Beispiel: das Pfeifen mit Daumen und Zeigefinger im Mund. Dieser Pfiff ist mit 100 Dezibel ungefähr das Lauteste, was der Mensch so von sich geben kann. Aber was bedeutet er?

Je nach Kontext kann dieser kurze, entschiedene Pfiff machoides Balzverhalten, ein Kommando oder Kommunikation sein. Im Theater bedeutet ein pfeifendes Publikum, dass die Aufführung besonders schlecht war. Und so bringt es bis heute Unglück, wenn Musiker, Schauspielerinnen oder Bühnenarbeiter auf der Bühne pfeifen.

Anders nach Sebalters ESC-Auftritt in Kopenhagen: Hier pfeift das Publikum vor Jubel und Begeisterung, um den Applaus zu verstärken und sich in der grossen Halle bemerkbar zu machen. Auch diese positive Konnotation ist kulturell geprägt: Wir haben sie mit Elvis & Co. aus den USA importiert.

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