Die Philharmonie, das ist der Konzertsaal, auf den Paris lange gewartet hat. Eine Stadt mit fünf grossen Sinfonieorchestern, von denen bislang keines einen eigenen, passenden und genügend grossen Saal hatte. Die Zeiten aber, in denen eine Philharmonie abends für ein paar Konzertstunden aufmacht und sonst als abweisender Hochkultur-Klotz daliegt, sind vorbei. Das sagt der Präsident der Philharmonie de Paris, Laurent Bayle.
Lockruf der Architektur
Bayle hat die Aufgabe gefasst, in die Philharmonie ein jüngeres Publikum zu holen und eines, das nicht zwingend aus den bildungsbürgerlichen Schichten kommt. Dabei vertraut Bayle auf die Lage der neuen Philharmonie im Nordosten von Paris am Stadtrand. Hier, wo zahlreiche Einwanderer aus dem Maghreb leben, möchte er Neugierige anlocken. Der stärkste Lockruf geht dabei zunächst von der Architektur aus.
Jean Nouvel hat die Philharmonie wie eine begehbare Wolke in den Parc de la Villette gesetzt. Man kann auf dem Dach spazieren und hat von den gut 30 Metern Höhe eine sensationelle Aussicht über Paris. Das Gebäude selbst ist durchlässig. Bildschirme tragen die Konzerte nach aussen, das Programm leuchtet gross auf der silbernen Hülle. Cafés und ein Restaurant locken nach innen.
Kinderfreundlichkeit ist wichtig
Kern der Philharmonie ist ein 2400 Plätze grosser Saal. Geformt wie ein Ei, alles rund. Mit Balkonen, die über Stege in den Saal hineinragen. Neben diesem Herz ist das Gebäude durchsetzt von einer ganzen Menge kleinerer Angebote und Räumlichkeiten – vom Saal für offene Orchesterproben über Ausstellungsräume bis hin zum Picknickraum für Kinder. Denn Kinder, so Laurent Bayle, sind ein wichtiger Entscheidungsfaktor. Für Eltern, wenn es darum geht, am Wochenende etwas zu unternehmen.
Diese Wochenenden sollen, als Minifestivals gestaltet, jeweils unter einem speziellen Motto stehen. Liebesgeschichten, Science-Fiction, indische Musik zum Beispiel. Dabei gibt es neben den herkömmlichen Konzertformaten erklärte Konzerte oder solche, bei denen das Publikum eine vorbereitete Partie im Chor mitsingen kann. Auch bietet die Philharmonie Ateliers an, wo man Instrumente bauen oder die Musikgeschichte lehren kann in einer Art Collège de la Philharmonie.
Grosse Erwartungen und hoher Unterhalt
So durchlässig die Architektur, so vielfältig die Bildungsangebote und die Musikstile von Pop bis Barock sind, so sehr muss sich die Philharmonie de Paris erst noch bewähren, muss vom Publikum entdeckt werden. Ausserdem muss die Stadt Paris ihr Versprechen halten, den Unterhalt des teuren Gebäudes zu finanzieren. Eines ist sicher: Im Gegensatz zur Philharmonie der Architekten Herzog und de Meuron in Hamburg steht die Philharmonie de Paris nach sechs Jahren Bauzeit. Jetzt kommt für sie die Zeit, ihre sehr ambitionierte Breitenwirkung zu entfalten.