Tatsächlich passt Stefano Montanari äusserlich schlecht in die Klassikszene. Sein Outfit, seine zugriffige Art, die Freiheiten die er sich herausnimmt, das alles polarisiert. Die Einen schwärmen von seinem fantasievollen, unkonventionellen Spiel. Die Anderen nennen ihn selbstverliebt und respektlos.
Rockmusik als musikalisches Fundament
Montanari braucht sich um diese Urteile nicht zu kümmern. Das Publikum reisst sich darum, ihn zu hören und eben auch zu sehen. Am Berner Konzert mit der Freitagsakademie tritt er in schwarzen Jeans und grauem T-Shirt auf - nicht unbedingt ein klassischer Musiker.
«Ich scheine eher ein Rocker zu sein, das würde mir sehr gefallen», sagt Montanari im Gespräch. «Wenn ich lange Haare hätte, wäre ich sicher ein Rockman und kein Ba-Rockman. Und ich würde garantiert elektrische Gitarre spielen.»
In seiner Freizeit hört Montanari fast nur alte Rockbands wie Led Zeppelin. «Verliebt bin ich auch immer noch in Genenis, Queen und zuallererst Police. Sie alle sind mein ganz persönliches musikalisches Fundament geblieben.»
Kino fürs Ohr
Monatari ist also ein Barockgeiger mit «guts and balls», einer mit Mumm, der die Freitagsakademie zu mehr Temperament und Frechheit antreibt. «Es gibt keine alte Musik» ist auch das Motto des Berner Ensembles rund um Katharina Suske, Bernhard Maurer und Vital Julian Frey, das seit 20 Jahren immer wieder auch Experimente wagt.
Dies zeigt sich auch auf dem neuesten Album: Bachs Brandenburgische Konzerte in einer analogen Aufnahme, frei von digitalen Tricks und Schnitten. Die Musik ist eingebettet in einen Hörfilm mit Pferdegetrappel und Räderknirschen auf Kies, mit Hundegebell und Feuerwerkskrachern. Ein Wagnis, das polarisiert.
Vivaldi als Musiktheater
So passen die Freitagsakademie und Montanari bestens zusammen. In Bern haben sie dem Publikum regelrechtes Musiktheater geboten: Vivaldis Frühling, Sommer, Herbst und Winter unterbrechen Oboenkonzerte von Benedetto Marcello und Tomaso Albinoni.
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«Wir haben viel an der Qualität des Klangs und an starken Kontrasten gearbeitet», sagt Montanari. «Und dann haben wir uns die Farben vorgenommen.» Für ihn ist Vivaldis Musik nicht nur schwarz-weiss, sondern grün, dunkelgrün, hellgrün, rot, gelb - je nachdem.
Dazwischen lesen die Berner Autoren Beat Sterchi und Jürgen Theobaldy am Tischchen mit Stehlampe ihre teils witzigen, teils philosophischen Kurztexte über Venedig und seine Touristen.
Ein Abend mit zwei Gesichtern
Fürs Auge gibts Fotosujets in Grossprojektion von Giro Annen. Der Bündner Künstler weiss, wie es sich anfühlt, wochenlang im winterlichen Venedig zu leben. Seine Bilder zeigen zwar Gondeln, Kirchen und Kanäle, umgehen aber in ihrer melancholischen Schwarzweiss-Ästhetik jegliches Klischee.
So wird der Abend zum Gesamtkunstwerk mit zwei Gesichtern: Hier Frechheit und Witz von Montanari und Sterchi, dort Tiefsinn und Melancholie von Theobaldy und Annen. Beides ist drin in Vivaldis Musik