Filmmusik, das war lange ein Synonym für romantische, grossorchestrale, schmachtende Musik. Und wer den Begriff auf ein Konzertstück anwandte, deutete damit an, dass dieses nicht ernst zu nehmen und von gestern sei.
Das hat sich in den letzten Jahrzehnten ziemlich geändert. Komponisten wie Ennio Morricone und Nino Rota sind allgemein anerkannt; Musiken wie jene von Bernard Herrmann zu den Hitchcock- oder von John Barry zu den Bond-Filmen sind ins Gedächtnis der Menschheit eingegangen.
Sogar die Musikwissenschaft nimmt sich des Themas an. Die Kompositionen zu den alten Stummfilmen werden wieder ausgegraben – oder es werden neue geschaffen, und live zu den Bildern gespielt.
Ein Bildschirm neben der Partitur
Auf das Schaffen von neuer Musik hat sich das «21st Century Symphony Orchestra» aus Luzern vor allem eingeschworen. Kürzlich wieder präsentierte es im Konzertsaal des KKL grosses Kino mit grosser Musik: den zweiten Teil von «Pirates of the Caribbean» mit der Filmmusik von Hans Zimmer.
Aus den Lautsprechern waren nur Dialoge und Geräusche zu hören; die Musik erklang aus dem vor der Leinwand sitzenden Orchester.
Der Dirigent, Ludwig Wicki, beobachtete neben der Partitur einen kleinen Bildschirm, auf dem der Film ablief, mit zusätzlichen Signalen: Aufblinkende Punkte und Zahlen sowie durchlaufende Linien, sogenannte Streamers, halfen ihm dabei, Bild und Musik zu koordinieren.
All diese Ebenen zusammenzuhalten, ist eine wahre Parforce-Leistung in Multitasking. Und da kann es vorkommen, dass die Musik plötzlich hinter dem Bild herläuft, also zu spät ist. Dann gilt es, sanft Gegensteuer zu geben.
Filmmusik als dreidimensionales Erlebnis
Ludwig Wicki hat darin mittlerweile Übung. Vor vierzehn Jahren gründete er mit zwei anderen Musikern und Filmmusik-Begeisterten das «21st Century Symphony Orchestra». Das erste Konzert fand noch in einem Saal in Meggen statt, zwei Jahre später zog man bereits ins KKL um, heute ist man dort regelmässig zu hören.
Bedeutend war, dass sie den Filmmusik-Komponisten Howard Shore nach Luzern einluden. Der war vom Klangergebnis so angetan, dass er dem Orchester die Live-Musik zu «The Lord of the Rings» anvertraute. Die Aufführung aller drei Teile wurde zu einem Höhepunkt in der Entwicklung des Orchesters.
Seither kennt man es auch in Hollywood, und in der Schweiz hat es sich ein Stammpublikum erworben, das zu den Aufführungen nach Luzern anreist. Es ist ein teilweise junges Publikum, das so auch den Zugang in den Konzertsaal findet, denn es erlebt hautnah die Farbenpracht und die Klangfülle eines Sinfonieorchesters: Filmmusik gleichsam im 3D-Format.
Grosse Klassiker am Tag der Oscars
Neben der live gespielten Filmmusik präsentiert das «21st Century Symphony Orchestra» auch Porträts von Filmmusik-Komponisten oder von Produktionen wie der Pixar-Filme.
Am 24. Februar, wenn in Hollywood mit viel Pomp wieder die Oscars verliehen werden, präsentiert es einige jener Melodien, die seit 1929 mit einem Oscar beehrt wurden: «Ben Hur», «Vom Winde verweht» oder auch «Titanic». Und auch ohne Grossleinwand sehen wir dabei das Wagenrennen, die Südstaatenplantagen und das mächtige Traumschiff vor dem inneren Auge.