«Ich bin in armen und rauen Verhältnissen in Flint, Michigan, aufgewachsen. Ich bin kein Unschuldsengel, aber ich habe diese Tat nicht begangen. Ich bin kein Killer.»
Leon Benson, Ende 40, sitzt in einem Sessel und erzählt. 1999, als 22-Jähriger, wurde er für einen Mord zu 60 Jahren Haft im Staatsgefängnis von Indiana verurteilt. Vor etwas über 100 Tagen kam er frei, nach nahezu 25 Jahren hinter dicken Gefängnismauern fanden Studierende an der University of San Francisco Beweise dafür, dass Benson für den Mord an einem weissen Mann zu Unrecht verurteilt wurde.
Musik für die Freiheit
«Immer, wenn es mir schlecht ging, habe ich Songs über Freiheit geschrieben, mir sie vorgesagt, wie ein Mantra». Leon Benson ist El Bently 448, der nun auf «Die Jim Crow Records» sein Erstlingswerk «Innocent Born Guilty» veröffentlicht.
Seine Songs konnte ihm niemand nehmen. Er schrieb sie in seiner langen Haftzeit, die er zeitweise auch in Einzelhaft absass. Sein Rap wurde besser und besser. Er drückte das aus, was viele im Knast nicht sagen konnten. Und erhielt Respekt dafür von seinen Mitgefangenen.
Die Message hat sich geändert
«Murderdaworld» ist so ein Song, den er bereits 2001 geschrieben hatte. «Damals hätte ich die Welt ermorden können. Dieses Gefühl: Ihr habt mich hierher ins Gefängnis gebracht, ich verliere alles», erklärt er.
Heute sieht er den Song anders, trägt ihn mit einer ganz anderen Message vor. «Jetzt töte ich die Welt der Armut, ich ermorde die Welt der Diskriminierung und der Unterdrückung.»
Schon während seiner Zeit im Gefängnis nahm Leon Benson Kontakt auf mit Fury Young, der eine gemeinnützige Organisation gegründet hatte, um Musik hinter den Gefängnismauern zu fördern. Fury Young erinnert sich: «Ich bekam einfach keinen Zugang zum Gefängnis in Indiana, um ihn aufzunehmen. Irgendwann schickte er mir ein paar Songs – keine Ahnung, wie er das gemacht hat – und ich fand sie richtig gut.»
Musik bringt Freiheit
Aus der Idee, Musik im Gefängnis zu fördern, ging schliesslich das Label «Die Jim Crow Records» hervor, das sich zur Aufgabe macht, Musik von Häftlingen und entlassenen Strafgefangenen zu veröffentlichen.
Angefangen hat für Young alles damit, dass er das Buch «The New Jim Crow» über Rassismus im Rechtssystem der USA gelesen hat. Er fragte sich: «Wie kann es sein, dass die besten Aufnahmen von Songs aus dem Gefängnis fast 80 Jahre alt sind?»
Kunst sei eine Möglichkeit, seine eigene Identität zu finden, sagt der Label-Boss, der selbst Musiker ist. «Im Gefängnis wird das noch einmal verstärkt, denn man ist ja in einer einheitlichen Umgebung. Jeder trägt das gleiche, alle paar Stunden wird man durchgezählt. Man ist wie Eigentum des Staates. Da hat es eine andere Bedeutung, durch eigene Texte Freiheit und eine kreative Ausdrucksmöglichkeit zu finden.»
Seine 20er und 30er wurden ihm geraubt
Leon Benson gewöhnt sich langsam an sein neues Leben in Freiheit, blickt nach vorne ohne Hass und hofft darauf, dass er mit seinen Liedern, die bei «Die Jim Crow Records» erschienen sind, andere erreichen und berühren kann. Ja, er sei tief verletzt. Ihm wurden seine 20er, seine 30er und ein Grossteil seiner 40er genommen.
«Oh, I'm hurt deeply», sagt er. «Die verlorene Zeit, die Wut, Frustration, Depression ist sehr schmerzhaft. Und dennoch kann ich aus voller Überzeugung sagen: Ich würde nichts ändern. Kann ich sowieso nicht.»