Michala Petri weiss nicht mehr, woher die Kommode stammt, in der sie ihre über 150 Blockflöten lagert. Aber zu jeder der Flöten kann sie eine Geschichte erzählen. Wie etwa diejenige Flöte, mit der sie an einer Show im dänischen Fernsehen aufgetreten ist.
Der Entertainer Victor Borge feierte damals mit Musikern zusammen seinen 80. Geburtstag. Er spielte am Klavier die Begleitung zu Vittorio Montis «Czardas» so schräg, dass Petri dabei die Flöte vor Lachen immer wieder von den Lippen glitt.
«Das geht nicht, Lachen und Spielen zugleich», sagt Petri. Und lacht dazu. Das Flötenmöbel steht im Wohnzimmer ihrer Kopenhagener Wohnung im Stadtteil Frederiksberg. Es ist Nachmittags um fünf, und wir trinken Tee.
Aufgewachsen unter Musikern
Michala Petri ist eine Pionierin des Flötenspiels wie vor ihr nur Frans Brüggen oder Hans-Martin Linde. Lange Zeit galt die Blockflöte allenfalls als Kinderinstrument. In der Renaissance und zur Zeit der Barockkomponisten noch hoch geschätzt, wurde die Blockflöte im Folgenden zugunsten der Querflöte vernachlässigt und erst im Zuge der Alte-Musik-Bewegung in den 1970er-Jahren wiederentdeckt.
Alte Musik spielt Petri auch. Doch ihr Hauptaugenmerk gilt der zeitgenössischen Musik. «Mein erstes Stück widmete mir ein Freund meiner Eltern», erklärt Petri und schenkt eine Tasse Sencha ein. Den Grüntee hat sie von einer Asientournee mitgebracht. «Meine Eltern sind Musiker, da gingen Musikerfreunde und Komponisten ein und aus.»
Moderne Musik auf wuchtigen Flöten
Petri war sechs Jahre alt, als sie ihre erste «Uraufführung» spielte. Der natürliche Kontakt mit neuer Musik blieb. Vielmehr sogar. «Ich fühle mich mit einem Stück von heute viel leichter verbunden als mit Musik, die 300 Jahre alt ist.»
Sie zieht eine weitere Flöte aus ihrer breiten Instrumentenkommode. Eine richtige Wuchtbrumme. Und so tönt sie auch. Ein amerikanischer Flötenmacher hat dieses Instrument gebaut, mit spezieller Bohrung im Inneren. Die Bohrung bewirkt, dass man damit solistisch auch mit einem ganzen Sinfonieorchester spielen kann. Zum Spielen brauche es doppelt so viel Luft wie bei einer herkömmlichen Flöte, sagt Petri – vom Vorführen leicht ausser Atem.
Die Vögel zum Zwitschern bringen
Für diese ungewöhnliche Besetzung, Flöte und grosses Orchester, hat Markus Zahnhausen ein Flötenkonzert für Michala Petri geschrieben. «Recordare» heisst das Stück. Der Titel spielt mit verschiedenen Bedeutungsebenen. So lautet die deutsche Übersetzung des lateinischen Verbs «recordare» «sich erinnern».
Das englische Wort für Blockflöte ist «recorder». Dieses Wort wiederum geht auf eine spezielle Praxis zurück: «Man hat in England mit der Blockflöte Vögel zum Singen animiert, um diesen Gesang dann aufzuschreiben», erzählt Petri. «To record» heisst im Englischen denn auch «aufnehmen», wie es etwa im Wort Kassettenrekorder noch mitschwingt.
Altes Instrument mit nordischen Tönen
«Nordic Sound» heisst eine von Michala Petris zahlreichen CDs . Dieser Sound hat es ihr besonders angetan. Es ist eine zugängliche und wenig verkopfte Art, neue Kunstmusik zu schreiben.
Der «Nordic Sound» zeigt die Lust von zeitgenössischen Komponisten, wie zum Beispiel dem Dänen Sunleif Rasmussen von den Färöer Inseln, an den Klängen dieses alten Instruments. An seinen geraden Tönen, seinem beschränkten Tonumfang, was immer eine besondere Herausforderung für Komponisten darstellt.
Der ewige Ton
Was nicht heisst, dass auf einer Blockflöte keine neuen Spieltechniken möglich sind. «Ich arbeite zurzeit gerade an der Zirkuläratmung», sagt Petri. Mit dieser Technik – ins Instrument blasen und zugleich einatmen – sind theoretisch unendlich lange Töne möglich. Petri erklärt auch, dass man durch gezieltes Überblasen auf dem Instrument mehrere Töne gleichzeitig spielen kann. Auch das führt Petri vor. Zu unser beider Vergnügen. Nach der letzten Tasse Tee hat Petri etwa zwanzig Flöten aus der Kommode geholt – ein Bruchteil des Petrischen Flötenschatzes.