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Der Musikredaktor Moritz Weber ist ein grosser Alfred-Brendel-Fan.
Legende: Brendels Klavierspiel hat Moritz Weber schon als Teenager in seinen Bann gezogen. SRF/Matthias Willi

Musik Ich und mein Idol aus der CD-Box

Er gehört nicht nur zu den bedeutenden Musikern des 20. Jahrhunderts, sondern hat sich auch als Autor und Dichter einen Namen gemacht. Nicht nur darum ist Alfred Brendel ein Idol von Musikredaktor Moritz Weber.

Und dann lag da diese CD-Box unter dem Weihnachtsbaum: die Gesamtaufnahme von W. A. Mozarts Klavierkonzerten mit Alfred Brendel. Ich hatte sie mir ausdrücklich gewünscht als Teenager Anfang der 90er-Jahre. Viele Brendel-Aufnahmen sollten folgen.

Auf den Geschmack gekommen war ich einerseits durch meine eigenen ersten Versuche am Klavier, bei welchen ich meine Vorliebe für Mozarts Musik entdeckte. Andererseits hatte ich den Interpreten Brendel schon am Radio und in Solorezitals gehört. Sein unverwechselbares Spiel berührte und faszinierte mich.

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Sprechendes Musizieren

Seine Musik hatte mich stets besonders angesprochen, oft mehr als die von anderen Interpretierenden. Angesprochen im wahrsten Sinne des Wortes: Es war Brendels sprechende Art zu musizieren, die mich in den Bann zog. Im Kleinen waren es die feinen Artikulationen und das Parlando in den Läufen – im Grossen seine packende, vielschichtige Erzählung und seine Suggestionskraft.

Nichts wirkte auf mich aufgesetzt oder künstlich, vielmehr spürte ich bei seinen Interpretationen immer einen unbedingten Ausdruckswillen und eine besondere Dringlichkeit. Zuallererst in klassischen Stücken, später entdeckte ich dann auch seine Aufnahmen von romantischen Werken, etwa diejenige des 2. Klavierkonzerts von Johannes Brahms oder die eindrückliche Darstellung der Dante-Sonate von Franz Liszt.

Nicht zu vergessen natürlich sein Beethoven, der ihm bei aller Beherrschung offenbar nicht nur leicht von der Hand ging. Brendels spür- und hörbares Ringen um Ausdruck und um die Komposition passte für mein Empfinden ausgezeichnet zu Beethovens kämpferischem Geist.

Moritz Weber

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Er studierte Klavier an den Musikhochschulen in Zürich und München. Neben seiner Tätigkeit als Pianist und Klavierlehrer schloss er ausserdem ein Master-Studium in Kulturpublizistik an der Zürcher Hochschule der Künste ab. Seit 2012 arbeitet er als Musikjournalist für Radio SRF2 Kultur.

«Ohne Intellekt ist das, was man tut, dilettantisch.»

Aufnahmen und Konzerterlebnisse weckten meine Neugier und in der Folge stiess ich auf Alfred Brendels Schriften: seine Essays und Gedanken über Musik, die gesammelt in mehreren Büchern erschienen sind.

Mich faszinierten die Genauigkeit und der Scharfsinn seiner Beobachtungen, seine Freude daran, über Musik nachzudenken, und nicht zuletzt seine sprachliche Gewandtheit. Zudem zeugen die Texte gleichermassen von Brendels gedanklicher Auseinandersetzung mit Musik, wie von seiner praktischen Erfahrung als Konzertpianist.

Brendel beschrieb das selbst einst in einem Essay: «Charakteristisch für den Streicherklang ist die weite, höchst elastische Dynamik, die zarten Ansätze, (…) das Modellieren des Einzeltones mit Hilfe begleitender Figuren oder mit Hilfe von Suggestion. Basseinsätze sind eventuell zu arpeggieren. Kontrabässe und Celli brauchen zur Entfaltung ihres Klanges mehr Zeit.»

Brendels unterschiedliche Talente und die verschiedenen Arten, wie er sich der Musik annähert, prägten meinen eigenen Zugang zu dieser wunderbaren Kunstform nachhaltig. Besonders dieser Satz hat sich in mein Gedächtnis eingegraben: «Ohne Intellekt ist das, was man tut, dilettantisch.»

Clever, präzise und mit kleinen Schrullen

Auch ich wollte Musik nicht bloss nach Gefühl ausführen, sondern sie darüber hinaus verstehen und ihre Geheimnisse entschlüsseln. So begann ich selbst mehr über sie nachzudenken, strukturelle Zusammenhänge und biografische Hintergründe zu erforschen. Die Erkenntnisse versuchte ich für mich möglichst präzise zu formulieren und sie in mein eigenes Klavierspiel einzubringen.

Alfred Brendels Humor, seine Vorliebe für Skurriles, aber auch seine manchmal etwas betuliche Sprache und die kleinen Schrullen machten ihn für mich auch als Mensch sympathisch. Man denke nur an seine originellen, bisweilen kauzigen Gedichte oder an Brendels mit Hansaplast umklebten Fingerkuppen. Persönlich kennengelernt habe ich ihn bisher leider nicht. Weder im Rahmen eines Meisterkurses noch bei einem Interview ergab sich für mich die Gelegenheit, ausführlicher mit ihm über Musik zu sprechen.

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