Sie habe sich von der männlichen Dynamik zwischen Musikern immer angezogen gefühlt, schreibt Kim Gordon. Um ein Teil davon zu werden, wollte sie sich einer Band anschliessen. In «Girl in a Band» erzählt die heute 62-Jährige die Geschichte der Band, der sie sich 1981 nicht bloss anschloss, sondern die sie mitbegründete. Sonic Youth eroberte nie die Hitparaden des Mainstreams. Aber der Einfluss dieser Gruppe auf Generationen von Independent-Musikern ist unbestritten.
Auf der Bühne trotz Ehekrise
Bei Sonic Youth war Kim Gordon Sängerin, Texterin und Bassistin. War, weil die Band sich 2011 auflöste. Das Ende ihrer Ehe mit dem Band-Mitbegründer Thurston Moore bedeutete auch das Ende von Sonic Youth.
Das Buch «Girl in a Band» beginnt mit ihrem letzten gemeinsamen Auftritt in São Paulo, kurz nachdem sie von Moores Affäre mit einer Jüngeren erfahren hatte. Da standen sie hinter ihren Mikrofonen und taten, als wäre alles in bester Ordnung: «Äusserlich hatten wir uns in den letzten 30 Jahren eigentlich nicht verändert. Wie es in uns aussah, war jedoch eine völlig andere Geschichte», so Gordon.
Die Rolle der Frau – und die Rolle der Kleidung
«Girl in a Band» ist teils Autobiografie, teils Tritt vors Schienbein von Thurston Moore, teils Sonic Youth-Erinnerungsalbum. Wer sich davon ein Stück Musikgeschichte verspricht, wird enttäuscht. Kim Gordons Beschreibung der legendären Indie-Szene in Downtown New York der 1980er-Jahre beschränkt sich auf Anekdoten, die sie mit einzelnen Songs oder Alben von Sonic Youth verknüpft.
Dafür macht sie sich Gedanken über die Rolle der Frauen in ihrem Geschäft. Die Musik sei wichtig, räumt sie ein, aber mindestens ebenso wichtig sei das Aussehen des Girls. Ihr gefiel, dass sie mit ihren Outfits die Vorstellung, die andere von ihr hatten, völlig verändern konnte. Zunächst trug sie eine Punkrock-Uniform aus T-Shirt mit Vatermörder und Stiefeln. Dann fing sie an, sich in den Boutiquen von Transvestiten einzukleiden, mit Shorts aus Leder oder Silberstoff. Ihr Flirt mit der Mode ging so weit, dass sie zeitweise sogar ein eigenes Label betrieb. Als Stilikone gilt sie noch immer.
Jetzt steht Improvisation auf dem Programm
Kim Gordon kommt aus der bildenden Kunst. Bis heute kuratiert sie Ausstellungen und zeigt eigene Werke in Galerien und Museen. In Zukunft verspricht sie sich noch mehr davon. Von der Musik hat sie sich allerdings keineswegs verabschiedet. Als Hälfte des Duos Body/Head tourt sie diesen Sommer mit dem Elektrogitarristen Bill Nace durch die USA. «Coming Apart» heisst ihr erstes Album, und Improvisation ist das Programm. Es habe sie nie interessiert, konventionelle Musik zu machen, erklärt sie.
Konventionell ist auch die Mischung aus Krach, Pop und Lyrik, der Sonic Youth ihren Ruf verdankt, nie gewesen. Und konventionell wird Kim Gordon nie sein – als Girl ohne Band erst recht nicht.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 20.05.2015, 17:50 Uhr