«Allein denken ist kriminell. Bildet Banden!» – sagen die Reines Prochaines. Und seit über 25 Jahren handeln sie auch danach. Ein künstlerisches Konzept, das offenbar funktioniert. Während andere weibliche oder feministische Gruppierungen kommen und schnell wieder verschwinden, bewegen sich die Königinnen laut und leichtfüssig, virtuos und ganz und gar nicht virtuell seit über einem Vierteljahrhundert zwischen Performance, Installationen, Musik-Theaterstücken und feministischem Polit-Cabaret.
Jedes Instrument für jede
Allein denken ist kriminell: So ist jede mal Frontfrau, singt jede mal nur Begleitung, textet, führt Regie, bearbeitet die Trommel, den Bass, die Gitarre oder ein anderes der mittlerweile gross gewordenen Instrumentenfamilie. Ein paar Jahre ist es her, dass die deutsche Dokumentarfilmerin Claudia Willke, die zu den Fans der ersten Stunde zählt, an einen Film über ihre Lieblings-Performanceband nachdachte. Aber erst, als ihr eine Freundin sagte, do it!, tat sie es.
Claudia Willkes Konzept ist so klar wie einfach: Über mehrere Jahre hinweg begleitet sie mit der Kamera die Gruppe auf Tourneen, bei Konzerten, Zuhause und bei der Probenarbeit, lässt sie frontal und persönlich in die Kamera reden und streut immer wieder einen dieser manifestartigen klugen Sätze ein. - Und sie führt dann auch aus, was damit gemeint sein könnte.
«Geht weiter als erlaubt - zögern ist blöd»
Gerade die Reines Prochaines wissen, was das heisst, nennen sie sich doch selbst «professionelle Dilettantinnen». Wobei hier das Wort – ganz in ihrem Sinn – beim Wort genommen wird: dilettare, das heisst jemanden erfreuen und ergötzen.
Auch wenn sie in ihren frühen Songs vielleicht nicht über vier Gitarrengriffe hinausgekommen sind und die zweite Stimme nicht glockenrein klang, an Spontaneität und an Echtheit waren sie nicht zu überbieten. Und selbst heute, wo sie in allem echte Profis sind – Aufbauen in einer halben Stunde inklusive Soundcheck, alle zwei, drei Jahre eine neue CD, regelmässig neue Bühnenprogramme – haben sie nichts von dieser liebenswürdigen Nähe, von dieser unmittelbaren Energie verloren.
«Klaut Ideen. Und verschenkt die besten»
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So haben die Reines in ihrem vorletzten Programm – das auch im Zentrum des Filmes steht – die abendländische Kunstgeschichte geplündert. «Vol d’Art» erzählt, wie Hieronymus Boschs bizarre Fabelwesen in Königinnen-Händen zu Wachs werden, wie aus René Magrittes Bildern ein Hörstück «von zarter Schärfe» wird und was Mark Rothko «Four Dark Reds» mit Menstruationsblut gemeinsam hat.
«Künstlerinnen verführt. Seid Maschinen. Und spuckt's aus»
Und dabei lassen sie auch keinen Tabubruch aus. Sie reden und singen über das, was sie als Heldinnen des Alltags erleben, erfahren, hören und fühlen. Sei es nun über die letzte Periode, die frau unter keinen Umständen als die letzte verpassen möchte, sei es über die geheimen Wünsche, einmal eine Metzgersfrau mit Hackebeil zu sein. Oder sei es über die Gase im Gedärm, die zwar mit Fenchel bekämpft, aber mit Wurst erst so richtig in Schuss gebracht werden können. Eben – Verführung pur, die mit Eleganz und Treffsicherheit ausgespuckt wird. Ganz Königinnen-Like.