Wie immer fand es über Ostern statt: das Festival Electron. Bequem erreichbar, mitten im Stadtzentrum von Genf gelegen, gruppieren sich die meisten Spielorte um das alternative Kulturzentrum Usine herum. Das Electron hat Tradition, heuer war die zwölfte Austragung. Tradition hat auch das hochklassige Programm: Hier wird seit eh und je ein Brückenschlag zwischen jugendlicher Feierfreude und anspruchsvoller Club-Elektronik vollzogen.
Natürlich wird am Electron vor allem getanzt. Aber nicht nur getanzt: Multimedial und interdisziplinär geht es zugange. Dieses Jahr standen etwa ein Film über die Wurzeln der Berliner Technoszene, eine Ausstellung über experimentelle Videogames, Performances zwischen Neo-Feminismus und burlesker Anzüglichkeit auf dem Programm.
Lasersalven und die Entdeckung der Langsamkeit
In Workshops durfte der technophile Nachwuchs am musikalischen Handwerk feilen. Der bulgarische Produzent Kink plauderte etwa aus dem Soundkästchen – und spielte später vor Publikum: ein unheimlich energetischer Auftritt. Dieser Kink ist ein wahrer Zeremonienmeister des House und könnte noch die hinterletzte sibirische Einöde in ein flammendes Partyinferno verwandeln.
Ein Höhepunkt des Festivals bot die Show des Engländers Squarepusher: ein Vorgeschmack auf dessen neues Album «Damogen Furies». Das klang manchmal so, als würde ein Roboter Lasersalven durch den Club feuern. Das Publikum? Es jubelte frenetisch. Von einer geradezu meditativen Qualität war da, was man bei Dubokaj hörte, dem neuen Projekt des Berner Elektronikproduzenten Daniel Jakob alias Dejot. Eine schön verhallte Anleitung darüber, wie man die Langsamkeit auch tanzend entdecken kann.
Wie ein knarzender Traktor
Wohl die spannendsten Entdeckungen machte man am Electron bei den Liveacts: bei jenen Performern, die ihre eigenen Kompositionen auf allerlei Gerätschaften darboten, seien es nun Laptops oder Synthesizern. Grossartig war auch die von den Video Jockeys (VJs) präsentierte Bilderpracht. Den Elektro-Naturalismus des Schweizer Künstlers Feldermelder – bald Bienenschwarm, bald ein knarzender Traktorbass – hüllten die VJs erst in ein digitales Schneegestöber, dann in ein schwarzweisses Fraktalgewitter. Das passte wie die Faust aufs Auge.
Die meisten der ans Electron gebuchten Künstler sind DJs. DJs, die wie eh und je Vinyl-Scheiben klanglich fusionieren. Zu diesem Zweck schleppen sie Plattenkoffer an. Andere bringen heute nur einen USB-Stick mit, auf dem ihre Stücke in digitaler Form lagern. So legte auch Lil' Louis auf, einer der einfluss- wie auch einfallsreichsten Künstler aus der House-Geburtsstadt Chicago. Der DJ und Produzent hatte vor zwei Monaten durch das Missgeschick eines unvorsichtigen Tontechnikers auf dem linken Ohr das Gehör verloren. Ob es Lil Louis' Enthusiasmus am DJ-Pult getrübt hat? Keine Spur.
Auch ein Generationentreffen
Das Electron ist auch ein Generationentreffen: ein Ort, wo Clubgänger der ersten Stunde, die meisten schon über 40, auf Mitzwanziger treffen. Eine unverkrampfte Stimmung macht sich da am Electron breit. Immerhin zog es hunderte von Liebhabern aus Zürich, Basel und Bern in die Rhone-Stadt. Was die Zukunft fürs Electron bringen mag? Jérôme Soudan, der künstlerische Leiter des Festivals meint: «Das Festival soll noch stärker andere elektronische Künste einbinden, etwa die digitale Kunst.»
Anders gesagt: Das Electron soll künftig noch elektronischer werden. Das ist kein revolutionärer Plan, aber doch ein Ansinnen, dem man Beifall spenden darf. So boten die virtuosen Verzahnungen aus Klang und Beats die stärksten Momente dieses Festivals. Lang lebe das multimediale Miteinander.