Die Geschichte beginnt in den 1960er-Jahren. Als es bei seiner Tochter Julika einmal im Bauch gluckert, hebt sie Vater Karlheinz Stockhausen lachend in die Luft und verkündet, sie habe ja Musik im Bauch. Darüber ist Julika so entzückt, dass sie den Satz endlos wiederholt, bis sie ins Bett gesteckt wird und noch im Einschlafen von der Musik im Bauch murmelt.
Beim Vater gärt der Satz ebenfalls weiter, und zwar jahrelang. «Sieben Jahre später wachte ich eines Morgens aus dem Schlaf auf», schreibt Stockhausen später in seinen Erinnerungen, «und hörte und sah eine Aufführung von ‹Musik im Bauch› genau so, wie ich sie jetzt aufgeschrieben habe».
Wackelnde Vogelmenschen
Es ist eine szenische Musik für sechs Schlagzeuger, die gekleidet sind wie Stockhausen selbst es immer war: schwarze Hose, weisses Hemd. Als roboterhafte Vogelmenschen wackeln sie langsam mit eckigen Bewegungen über die Bühne und beginnen diverse Aktionen.
Gegen Ende des Stücks werden aus dem Bauch eines der Vogelmenschen Spieluhren herausgenommen. Sie spielen zwölf kurze, prägnante, konzentrierte, schlichte und tonal indifferente Melodien: Jede einzelne Melodie entspricht einem der zwölf Sternzeichen des Tierkreises – vom Wassermann bis zum Steinbock.
Freie Hand für Interpreten
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Diese Tierkreis-Melodien gibt Stockhausen später als selbstständige Komposition heraus. Vorgesehen ist der «Tierkreis» für beliebige Melodie- oder Tasteninstrumente und für eine beliebige Kombination dieser beiden. Der Komponist fordert Interpretinnen und Interpreten ausdrücklich auf, in die Stücke einzugreifen und sie für sich auszuarbeiten.
Und die lassen sich gern darauf ein: Jede Menge Ausarbeitungen entstehen, für Klavier und Flöten und Handglocken und alle nur denkbaren Instrumente.
Improvisieren wie beim Jazz
Auch der amerikanische Komponist und Posaunist Mike Svoboda, der in den 1980er-Jahren lange Zeit als Arrangeur und Kompositionshelfer für Stockhausen arbeitete, hat zwei Realisationen dieses Werks ausgearbeitet. Die eine orientiert sich eng an den Angaben der Partitur, die andere schöpft improvisatorisch die in der Komposition angelegte Freiheit aus.
«Ich habe mich», sagt Svoboda dazu, «der Komposition so genähert, wie sich Jazzmusiker einem Standard nähern: Sie lassen sich von der Melodie und den Harmoniefolgen inspirieren, um sich dann spontan und auf ganz individuelle Weise darüber zu äussern.»