Egal welches Musikgenre: Man hört bei isländischen Bands, Musikern und Komponisten oft eine Gemeinsamkeit heraus: Sie lassen sich Zeit. Popsong-Schemen, in denen möglichst schnell eine «Hook» (eingängiger Refrain) kommt, oder pompöse Ouvertüren bei klassischen Werken sind untypisch. Isländische Musik baut sich langsam auf, hat Pausen, dynamische Einbrüche und ist meist von einer mystischen Stimmung geprägt.
Es ist völlig klar, dass dabei die Natur eine wichtige Rolle spielt. Island hat viel mehr Natur als Mensch und abgesehen vom Wetter verändert sich nur wenig. Das prägt künstlerisch. Aber auch Bräuche und Geschichten von Feen und Trollen sind wichtig. Auch damit lässt sich die mystische Stimmung erklären.
Chöre haben Tradition
Link zum Thema
Gesang hat in Island eine viel längere Tradition als instrumentale Musik. Aus der altnordischen Literatur sind die sogenannten Rímur entstanden. Das sind epische Gedichte, die alleine oder in Chören gesungen werden. Die Tradition ist bis heute wichtig, auch dank bekannten Bands wie Sigur Rós.
Chöre sind sehr beliebt in Island. Viele Städte und Gemeinden haben gut besetzte Chöre, die auch gerne gegeneinander antreten. Ständig finden irgendwo auf der Insel populäre Chorwettbewerbe statt.
Keinem Trend verpflichtet
Die klassische Musikgeschichte Islands fängt erst in den 1920er-Jahren an, mit dem Komponisten Jón Leifs. Dank ihm kommt überhaupt das erste Mal ein Symphonieorchester nach Island.
Eine Musiktradition wie sonst in Europa gibt es in Island also gar nicht. Das bedeutete aber wiederum mehr Freiheit für die isländischen Musiker und Komponisten. Ohne Verpflichtung können die Isländer musikalisch da ansetzen, wo sie wollen. Und dieser Geist macht sich nicht nur in der klassischen Musik bemerkbar. Als in den 1960er-Jahren die populäre Musik Einzug hält, ist es ähnlich: Man fühlt sich keinem Trend verpflichtet.
Erfolgslabel «Island»
Island weist heute eine sehr blühende Musikszene auf. Das zeigt sich vor allem in der Dichte der Musikschulen, an der Menge von Bands, der stilistischen Breite und an der Anzahl Musikfestivals. Vor allem in der Hauptstadt Reykjavík, die auch für ihr lebhaftes Nachtleben berühmt ist.
Island kann aber auch internationale Stars vorweisen, allen voran die Sängerin Björk. Sie und einige andere Bands drücken der isländischen Musik einen Stempel auf und etablieren in der ganzen Welt das Label «Island».
Beiträge zum Thema
Musik als Stütze in der Krise
2008 wurde Island ungemein hart von der Weltwirtschaftskrise getroffen, die Insel stand kurz vor dem Staatsbankrott. Doch die Musikindustrie war schon so etabliert, dass sie nie richtig in Gefahr war. Eher im Gegenteil: Sie wurde zu einer Stütze für den Staat.
Weil das Land in den Fokus der Welt geriet, wurde man auch auf die Musikszene aufmerksam. Und Island, das wegen seiner atemberaubenden Natur heute eine Million Besucher pro Jahr verzeichnet, hat einen geschickten Weg gefunden, sich musikalisch zu vermarkten.