Das dritte Radiohead-Album «OK Computer» von 1997 ist ein Klassiker der Rockmusik. Aber nicht nur das: Es löste auch bei einer jüngeren Generation von Jazzmusikern ein grosses Echo aus. Fast die Hälfte der zwölf Songs wurde immer wieder von Jazzformationen gecovert. Am Anfang dieses Trends stand der amerikanische Pianist Brad Mehldau, der sich «Exit Music (for a film)» live und im Studio immer wieder vornahm, und seine Improvisationen auch gleich auf mehreren Alben in verschiedenen Versionen veröffentlichte.
Von Chopin über Radiohead zu Mehldau
Interessanterweise ist eigentlich schon der Track «Exit Music (for a film)» ein Cover. Radiohead haben sich ihre Inspiration dazu von Frédéric Chopins Prelude No.4 in E-moll geholt – einem Klassik-Hit, den sich Chopin für seine eigene Beerdigung wünschte, und ein Stück, welchem zweifelsohne auch der Jazzer Brad Mehldau in seinem Klavierunterricht begegnet ist. Der elegische Ton dieses Stücks kommt dem erklärten Romantiker Mehldau ganz offensichtlich sehr entgegen. Und genau dieses Dunkle und manchmal auch Geheimnisvolle findet sich in so mancher Radiohead-Komposition von den 90er-Jahren bis zur Gegenwart.
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Cover-Boom
Mit Brad Mehldaus «Exit Music»-Interpretation war der Grundstein für einen Cover-Boom, wie er im Jazz nicht allzu oft vorkommt, gelegt. Und es waren vor allem die Songs von «OK Computer», die es den Improvisatoren angetan hatten und immer noch haben: Der Westschweizer Pianist Colin Vallon arbeitete sich am mehrteiligen Track «Paranoid Android» ab, die wilden Kerle von The Bad Plus dekonstruierten genüsslich «Karma Police» und der Israeli Yaron Herman liess sich von «No Surprises» zu einem etwas süsslichen Cover verführen, bei dem er sich einfach nur am Thema erfreut, und die jazzmässige Improvisation sogar für einmal aussen vor lässt. Aber ganz offensichtlich treffen Radiohead mit ihren Songs den Zeitgeist, wie er auch von Jazzmusikerinnen und -musikern reflektiert wird.