Ein Strassencafé in Hamra, dem Quartier der Intellektuellen und Künstlerinnen in Beirut. Hier erzählt der syrische Musiker Al Sayyed Darwish in einem Gemisch aus arabisch und englisch, wie er zum Hip Hop kam. Der 24jährige stammt aus der Stadt Homs, einem Zentrum der syrischen Revolution. Schon als Teenager hörte er viel amerikanischen Rap – und er war eine der treibenden Kräfte, die in den letzten fünf Jahren in Homs eine kleine, aber lebendige Hip-Hop-Szene entstehen liessen.
Alternativkultur wird nicht toleriert
Politik war nur indirekt Thema in den ersten Rap-Songs. Das Publikum musste die Botschaft zwischen den Zeilen lesen. Aber trotz verklausuliertem Inhalt wurde das Regime auf sie aufmerksam. «Das Regime störte nicht in erster Linie der Inhalt unserer Songs, sondern vielmehr die Tatsache, dass da eine Alternativkultur entstand», erklärt der Rapper. «Alternative Kultur ist nicht kontrollierbar, ergo potentiell gefährlich für ein Regime wie das syrische.»
Es sei zu Verhaftungen gekommen, auch Al Sayyed Darwish wurde für kurze Zeit festgenommen. Doch darüber will der Musiker nicht reden, er mag sich nicht als Held darstellen. Im übrigen sei es auch nicht die Verfolgung oder der Krieg gewesen, die ihn aus Syrien weg nach Beirut getrieben hätten. Im Quartier, wo seine Eltern wohnten, sei die Lage immer noch relativ ruhig – das Problem seien die steigenden Preise.
Ungeschminkte Darstellung des Kriegs
«Wenn ich in Syrien Arbeit gefunden hätte, wäre ich geblieben», sagt der Rapper. In Beirut fand er zwar eine vielfältige Künstler-Community, doch fühlt er sich von der Revolution in Syrien abgeschnitten. Und in der Revolution liegt die Inspiration für seinen Rap.
Seine Texte beschreiben die Realität in Homs ungeschminkt. «Ich erinnere mich, wie die Nachbarin ihre Kinder anschrie und die Tür zuschlug, weil der Krieg näherkam», singt Al Sayyed Darwish in seinem Song «Ya Deeb», und weiter: «Vielleicht werde ich zum Arzt gehen, damit er mir sagt, dass es mir gut geht.» Schliesslich wendet sich der Rapper ans Publikum: «Hört, ich erzähle euch keine Geschichte, um euch zu unterhalten, ich will euch aufwecken».
«Arabischer Rap ist im Westen hip»
Al Sayyed Darwish besingt in seinen Liedern die Revolution, aber er will sich nicht vereinnahmen lassen. Für ihn steht die Realität im Zentrum seines Schaffens. Überhaupt regt er sich auf über ausländische Medien, die sich gerade jetzt vermehrt für arabische Musiker wie ihn interessieren. «Arabischer Rap ist jetzt im Westen hip, nicht wegen der Musik, nur als Vehikel der Revolution.»
Umgekehrt interessieren sich arabische Medien nach wie vor nicht für alternative Musikkulturen wie den Rap», sagt Al Sayyed Darwish. Dabei lebe hier das Publikum, das er mit seiner Kunst erreichen wolle.
Rap als eine Form von Social Media
Den Vorwurf, Rap sei aus Amerika importiert, lässt Al Sayyed Darwish nicht gelten. Diese Kunstform mache durchaus auch im arabischen Raum Sinn: Rap sei nah an den Leuten, eine Art von Social Media, eine direkte Form der Kommunikation, die sich auch mit der langen Tradition arabischer Lyrik verbinden lasse.
Und auch wenn Rap im arabischen Raum bislang erst ein kleines Publikum findet: «Rap hat Zukunft», ist der Musiker überzeugt. Und um das zu unterstreichen, hat er für sich den Künstlernamen «Al Sayyed Darwish» gewählt: Darwish war ein Sänger und Komponist, der anfangs des 20. Jahrhunderts in Ägypten lebte. «Wie wir Rap-Musiker war auch Al Sayyed Darwish zu Lebzeiten verkannt. Erst nach seinem Tod wurde er anerkannt, und heute gehört er zum Kanon der ägyptischen Musik.»