Ihrem Blick kann man kaum ausweichen. Genauso wie ihrem Sprechtempo. Sie formuliert gestochen scharf, während ihre Augen blitzen. Da hat jemand was zu sagen: Sookee, Rapperin, 30 Jahre alt, aus Berlin, Studium der Linguistik. Für sie sind Musik und Text keine durchgestylten Produkte der Unterhaltungsindustrie, nein, sie schmettert Botschaften in die Welt – subtil, kritisch und sehr persönlich. In eine Hip-Hop-Welt, in der sie als weibliche Stimme stets die Ausnahme bildet. Ein Gespräch über ihre Entwicklung, über Diskriminierung im Hip-Hop und ihre pädagogische Arbeit mit Jugendlichen.
Bei Rap assoziiert man mittlerweile oft etwas angefettete Machos mit Goldkettchen und grell geschminkten Weibchen als Beilage. Frauen, die dieses Bild des Macho-Hip-Hop kritisch hinterfragen, ja sogar attackieren, sind selten. Wo sehen Sie sich in dieser Szene?
Sookee: Ja, ich bin sehr nischig, mit dem was ich tue. Die erste Besonderheit besteht darin, dass Hip-Hop – das ist kein Geheimnis – eine männerdominierte Szene ist, so wie viele andere Jugend- und Subkulturen auch. Also da bin ich schon einmal ein Alien. Ich würde da gerne viel weniger auffallen, zugunsten einer Gleichheit oder einer Vielfalt, in der auch weibliche Stimmen vorkommen. Und thematisch bringe ich halt etwas anderes mit, als der Mainstream mehrheitlich bietet. Auch das ist ungewöhnlich. Aber das sind Dinge, die ich mir nicht ausgesucht habe, die sind so passiert. Das waren Entscheidungen, die sich gar nicht vermeiden liessen.
Nicht vermeiden? Bedeutet das, Ihr Weg zur Hip-Hop-Künstlerin verlief zwangsläufig?
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Also ich habe schon immer gerne geschrieben. Ich finde Sprache wahnsinnig faszinierend, und ich finde Kommunikation wahnsinnig faszinierend. Wenn irgendwelche Schallwellen Zeichen durch den Raum tragen, oder irgendwelche Zeichen auf Papier Bedeutung finden. Literatur und Kommunikation und Sprache finde ich einfach unfassbar spannend, weil das Menschen miteinander in Verbindung setzt und Gemeinschaftlichkeit fördert, ihr Erleben in der Welt miteinander zu teilen.
Aber neben Ihrem Interesse für Sprache gab es immer auch Ihr Interesse für bestimmte Subkulturen.
Ja, ich bin eigentlich über Graffitis zu Hip-Hop gekommen. Hip-Hop ist ja sehr vielfältig, da gehören sehr viele Dinge dazu: DJing, Breakdancing, Beatboxing, Beatproducing, Klamotten, Journalismus, Fotografie – das ist eine recht grosse Spannweite an Artikulationsmöglichkeiten. Ich habe dann so eine Weile heimlich für mich rumprobiert. Viele, die vorher gesprüht haben, fingen an, Texte zu schreiben und sich mit Beat-Produktionssoftwares zu befassen und sich kleine Aufnahmekabinen zu bauen in ihren Kleiderschränken. Um dann kleine Jams zu organisieren und die ersten Veröffentlichungen mit eigenen Vertriebswegen zu ermöglichen.
2008 gab es dann einen starken Bruch, weil ich einfach mich auch zunehmend politisiert habe und mit bestimmten Begriffen fürchterlich unglücklich wurde. Ich hatte einfach keine Lust mehr, Begriffe zu verwenden, die Personen oder Körper abwerten.
Was heisst das konkret?
Na ja alles, was sich negativ auf Weiblichkeit, auf den weiblichen Körper bezieht, was Dominanz ausübt. Und ich will auch nicht schlecht über andere Menschen reden. Natürlich geht es im Hip-Hop auch um Fluchen, um eine Art Battle-Kultur, in der es nicht nur sittsam und anständig zugeht. Es ist nur die Frage: Auf wessen Kosten? Und wenn ich das Gefühl habe, dass da sowieso schon gesellschaftliche Strukturen sind, die bestimmte Menschen benachteiligen oder sie unsichtbar machen, dann haue ich da nicht auch noch drauf. Dafür müssen wir Alternativen finden.
Sie arbeiten auch mit Jugendlichen und sensibilisieren sie für Sprache oder wirre politische Thesen. Was machen Sie da genau?
Da geht es darum, Jugendkulturen unterschiedlichster Couleur zu stärken. Gerade in strukturschwachen Regionen und in sogenannten sozialen Brennpunkten, um hier dem Zugriff von Rechtsaussen vorzubeugen. Also wenn ich als Jugendlicher mit Skateboarding, Punk, Graffiti, DJing, Rap oder was auch immer gut beschäftigt bin und da auch bestimmte Werte und Identifikationen finden kann, dann kann mich eine CD von der rechtsradikalen NPD, die mir auf dem Schulhof geschenkt wird, kaum faszinieren.
Konkret: Ich gehe in eine Schulklasse, finde heraus, was die Leute so hören, was ihnen gefällt, was sie vielleicht problematisch finden. Das ist schon eine ziemlich spannende Angelegenheit zu sehen, wie explizit gewaltaffine oder pornographische Begriffe da reflektiert werden. Da will ich die Jugendlichen in ihrer Entwicklung, in ihrem Stand, in ihrer Perspektive, in ihrer Erfahrung ernst nehmen und ihnen ein kompetenter Ansprechpartner sein.
Es ist wichtig, auf all das immer wieder kritisch draufzuschauen, mit einem so banalen Ansatz wie den Menschenrechten. Wer wird eigentlich wie behandelt? Wie wird über Menschen gesprochen, wie werden Menschen wahrgenommen? Wie frei können Menschen leben, was bedeutet Unterdrückung, und was bedeutet Gewalt, auch innerhalb von Kommunikation und Sprache? Gewalt, das ist eben nicht nur das, was mit Fäusten und Waffen passiert. Gewalt kann auch ganz andere Formen haben.