«Né So» heisst «chez moi». Rokia Traoré widmet dieses Lied allen Menschen, die kein Zuhause haben. «Ich bin als Diplomatentochter als Kind um die 20 Male umgezogen», erzählt Rokia Traoré. «Und jetzt lebe ich in Bamako, Brüssel und Marseille – wenn ich nicht gerade in irgendeinem Hotel bin. Ich habe also eigentlich auch kein wirkliches ‹Né So›».
Aber der Unterscheid sei, dass sie dieses Nomadenleben frei gewählt habe. Eine Form von Gewalt sei es, wenn Menschen dazu gezwungen würden, ihre Gewohnheiten, ihr Haus, ihre Umgebung zu verlassen.
Zeit für den Rassismus-Song schlechthin
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Die malische Sängerin sitzt vor einer Tasse Verveine-Tee und spricht gelassen, beinahe monoton. «Né So» handelt von den fünf Millionen Menschen, die jedes Jahr flüchten müssen. In dem Album geht es auch um Rassismus: Traoré geht das Risiko ein, den berühmten Titel «Strange fruit» zu covern. Das ist der Antirassismus-Song, Billy Holliday wurde weltberühmt damit. «Ja, ich habe es viele Jahre nicht gewagt, das Lied zu singen. Jetzt war es Zeit. Ich bin reif dafür. Es geht mich als Schwarze und uns alle etwas an. Rassismus ist noch lange nicht aus der Welt geschafft.»
Als Frau im harten Musikbusiness
Und nicht zuletzt singt Rokia Traoré auf der neuen CD auch über ihr Herkunftsland, über Mali, wo seit Jahren Konflikte schwelen. Und wo 2012 für viele Monate ein Musikverbot herrschte, weil die Islamisten die Macht übernommen hatten. Das war für Traoré persönlich eine traumatische Situation, hatte sie doch damals gerade beschlossen, in Bamako eine neue Basis zu schaffen, nachdem sie in Paris Enttäuschungen erlebt hatte.
Enttäuschungen? Ja, weil sie eine Frau sei, die im harten Musikbusiness viel härter kämpfen müsse als ein Mann. Weil sie als Mutter ein schlechtes Gewissen hatte, wenn sie ihren Sohn nicht rundum betreute. Sie habe die Krise überwunden. Das Ergebnis ist ihr neues Album.
Manchmal rutschen fröhliche Lieder rein
Die 41-jährige Rokia Traoré ist auch in «Né So» ihrem Stil treu geblieben: Die malischen Wurzeln hört man ebenso wie Jazz-, Pop- und Chanson-Elemente. Und: Obwohl die meisten Titel eine politische Botschaft übermitteln wollen und nachdenklich anmuten, gibt es auch leichte Momente darin.
Angesprochen darauf, wird sie auch im Interview plötzlich sehr munter: «Manchmal rutschen mir solche fröhlichen Lieder wie «amour, amour» ins Repertoire. Ich wollte es zuerst für jemand anderen schreiben, merkte dann aber, dass ich es selber singen muss. Denn ich lache eigentlich sehr gerne und das Lustvolle ist auch eine Seite in mir.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 12.2.2016, 16:05 Uhr