«Dann singe ich eben lauter!» Sängerin Mahsa Vahdat aus Teheran spricht deutliche Worte. Sie setzt sich für die Freiheit iranischer Musikerinnen ein. Für ihre Arbeit wurde sie 2010 von der internationalen Organisation Freemuse – die sich für musikalische Meinungsfreiheit einsetzt – mit einem «Freemuse Award» ausgezeichnet.
Hintergrund: Seit der Iranischen Revolution Ende 1970er Jahre verbietet das konservative Regime Sängerinnen aus politischen und religiösen Gründen den öffentlichen Auftritt vor Publikum – genauer genommen vor männlichen Zuhörern. Für die iranischen Sittenhüter geht von der weiblichen Stimme eine Gefahr aus: Sie würde Männer verführen.
Mundtot und unsichtbar
Auftritte von Sängerinnen werden auf die private Sphäre – hinter verschlossenen Türen und in Anwesenheit von Frauen – reduziert. «Sie wollen uns unsichtbar machen», meint Mahsa Vahdat energisch. Die Iranerin weiss, wovon sie spricht. Früh hat sie mit Klavier und klassischem Gesang angefangen. Seit ihrem Abschluss an der Art University in Teheran fühlt sie sich in ihrer Heimat stark in ihrer künstlerischen Freiheit eingeengt.
Daraus zieht die 1973 geborene Sängerin Konsequenzen: Seit 1997 geht sie ihrer musikalischen Karriere im Ausland nach – mit Live-Auftritten und Veröffentlichungen. Im Iran unterrichtet sie in ihren eigenen vier Wänden klassischen persischen Gesang, denn da hat sie noch die grösste Freiheit.
Mahsa Vahdat hat an insgesamt sechs Alben mitgewirkt und mit unterschiedlichen Musikern zusammengearbeitet: mit ihrer Schwester Marjan Vahdat, dem amerikanischen Soulsänger Mighty Sam McClain oder dem norwegischen Chor SKRUK. Nun veröffentlichte sie ihr erstes Album «Traces Of An Old Vineyard».
Kraft aus klassischer Poesie
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Auf ihrem Debüt vertont Mahsa Vahdat Gedichte klassischer Poeten wie etwa Rumi und Hafez. Die Begeisterung für diese Dichter geht auf ihre Kindheit zurück. Spricht sie darüber, hellen ihre Gesichtszüge auf, und sie kommt richtig ins Schwärmen: «Mein Vater hat mir und meiner Schwester jeden Abend diese Gedichte vorgelesen», erklärt sie mit leuchtenden Augen. «Ich habe sie regelrecht verschlungen. Sie sind ein Teil von mir geworden.»
Diese Dichtkunst bedeutet für Mahsa Vahdat noch viel mehr. Sie ist die Quelle, aus der die entschlossene Sängerin ihre Kraft und Energie für den mutigen Kampf gegen das Verbot der weiblichen Stimme schöpft. «Musik ist stärker als jede Waffe, Musik gibt mir einen Schutzpanzer an diesem gefährlichen Ort, wo ich so vielen Beschuldigungen und Anklagen ausgesetzt bin», erklärt sie.
Hingabe, Sehnsucht, Freudentaumel, Spannungen, Enttäuschungen – Themen dieser klassischen Poeten. Hafez beispielsweise, einer der populärsten Dichter im Iran, spricht von Freiheit und Liebe. Das ist für die Teheraner Musikerin universell. Darin findet sie zeitlose Spuren, etwas, das Jahrhunderte überdauert und immer noch einen direkten Bezug zur gegenwärtigen Lage im Iran herstellt: Auch zu Hafez’ Zeiten waren Musik und jede Art von Genuss und Lebenslust untersagt.
Schutz in eigenen vier Wänden
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Zwar ist die Botschaft ihrer Musik nicht politisch, aber dennoch bezieht die engagierte Teheraner Musikerin offen Stellung: «Mit der Islamischen Revolution hat die Verbannung der weiblichen Stimme ihren Anfang genommen.» Mahsa Vahdat will unbedingt darauf aufmerksam machen und gegen dieses Verbot kämpfen. Und da ist ihre Wohnung, wo sie vielen Schülerinnen Gesangsunterricht gibt, der ideale Ort für den leisen Widerstand.
«Ich will andere Sängerinnen ermutigen, sich keineswegs davon abhalten zu lassen und unbeirrt ihren Weg weiterzuverfolgen», so Mahsa Vahdat. Sie ist in einem liberalen Elternhaus aufgewachsen. Ihre Familie steht der Islamischen Revolution 1979 kritisch gegenüber. Diese Haltung hat sich auch auf Mahsa Vahdat übertragen und lässt sie seitdem nicht mehr los.