Seit ich Jazz höre, ist Sonny Rollins einer meiner Helden. Natürlich bin ich nicht der einzige. Rund um den Erdball haben Legionen von jungen Musikern Rollins «ausgecheckt», wie das die Jazzer nennen. Sie haben herauszufinden versucht, wie es Rollins genau macht, damit er so klingt, wie er klingt. Und Millionen von Hörerinnen und Hörern sind der Faszination dieses grossen, etwas heiseren und dennoch unendlich schönen Saxophonklangs erlegen.
Kein Treffen mit dem Meister
Irgendwann kam ich zum Radio, zu DRS 2, wie das damals noch hiess, als Jazzredaktor. Das Schöne am Beruf des Journalisten ist es, dass man Leute Dinge fragen kann, die man schon lange selber hatte wissen wollen – und sie lassen sich die Fragerei gerne gefallen. Als also Sonny Rollins wieder einmal in der Schweiz spielte, bemühte ich mich um ein Interview mit dem Meister.
Doch der, wurde mir beschieden, gibt keine Interviews. Von Kollegen hatte ich längst erfahren, warum das so war: Sonnys Frau und Managerin Lucille Rollins schirmte ihren Schützling vom Unbill der Welt und der Medien im Speziellen ab. Nur seine Musik sollte für ihn sprechen.
45 Minuten mit dem «Saxophone Colossus»
Im Jahr 2008 trat Sonny Rollins wieder einmal in der Schweiz auf. Routinemässig schickte ich eine Interview-Anfrage an Management und Veranstalter. Und plötzlich war der Weg offen! Lucille Rollins war kurz zuvor gestorben, das Management hatte gewechselt, und ich wurde ins noble Park Hyatt Hotel in Zürich gebeten.
Unglaubliche 45 Minuten verbrachte ich mit dem «Saxophone Colossus» in seiner Suite. Ich konnte ihn all das fragen, was ich ihn schon immer hatte fragen wollen. Es wurde eine wunderbare Dreiviertelstunde. Mister Rollins war freundlich und zugewandt, neugierig und redselig, nachdenklich und ehrlich. Und an der Sendung, die ich mit dem Interview machen konnte, habe ich auch heute, sechs Jahre später, noch Freude.