Südkorea ist ein moderner Staat mit Mega-Citys und urbanem Lifestyle. Trotzdem nehmen Pansori-Sänger lange Wege in Kauf, nur um ihre Stimme in der Nähe eines Wasserfalls zu trainieren. Sie singen so lange in das laute Rauschen hinein, bis ihre Stimme kräftigt und rau klingt und im Klang des Wasserfalls hörbar wird.
Pansori zählt zum Kulturerbe der Unesco
In Südkorea schliessen sich Tradition und Moderne nicht aus: Im TV wird der Pop-Superstar gesucht und gleichzeitig läuft eine Sendung, in der das Publikum den besten Pansori-Sänger kürt. Pansori ist die vielleicht koreanischste aller Kunstgattungen. Es ist ein epischer Sprechgesang, dessen Ursprung man in uralten Schamanenritualen vermutet. Heute gehört Pansori zum immateriellen Kulturerbe der Unesco.
Bei Pansori-Aufführungen erzählt ein einziger Sänger oder eine Sängerin – begleitet nur von einer Trommel – eine lange Geschichte. Märchenhaft und zugleich nahe am Leben, hochemotional und mit einer aussergewöhnlich differenzierten Palette an Stimmfärbungen: hoch, hell, heiser, tief und rau.
Die Stimme muss alle Rollen gleichzeitig darstellen können: Frauen, Männer, Tiere und natürlich den Drachen, der in Korea Glück bringt. Eine Pansori-Aufführung dauert mehrere Stunden, und das Publikum mischt sich mit begeisternden und aufmunternden Zurufen ein.
Ein interkultureller Dialog
Die Szene der traditionellen Musik in Südkorea ist also sehr lebendig. Das Ensemble Korean Music Project zum Beispiel besteht aus jungen südkoreanischen BerufsmusikerInnen, die sich auf traditionelle Musik spezialisiert haben. Aber nicht ausschliesslich. Das Ensemble beschäftigt sich nämlich genauso intensiv mit allerneuster und experimenteller Avantgarde-Musik.
Sendungen zum Thema
Obwohl die westliche klassische Musik erst im späten 19. Jahrhundert im Zuge der Öffnung des Landes nach Korea kam, hat sich eine ausgeprägte Klassik-Szene entwickelt, die längst auch international ausstrahlt. Nicht nur koreanische Komponisten wie Isang Yun (1917-1995) interessierten sich seit den 1950er Jahren für westliche Musik. In den 1980er Jahren begannen auch westliche Komponisten, wie zum Beispiel der Schweizer Klaus Huber (geb. 1924), den interkulturellen Dialog in ihrer Musik zu suchen.
In jüngerer Zeit besinnen sich koreanische Künstler, wie zum Beispiel die beiden Komponistinnen Younghi Pagh-Paan (geb. 1945) oder Junghae Lee (geb. 1964), wieder auf ihre Wurzeln und entwickeln eine Klangsprache, in der sie musikalische Elemente aus beiden Kulturen verbinden.
Weltschmerz als Lebensgefühl
Das Ensemble Korean Music Project hat bei seinen Konzerten in Zürich und Basel im Oktober 2013 die vielen Facetten koreanischer Musikkultur zur Aufführung gebracht. Aber auch koreanische Gedichte haben die Musikerinnen und Musiker in ihrem Konzertprogramm mit dem Titel «Sori» vorgetragen. Das koreanische Wort «Sori» bedeutet nämlich so viel wie «Klang der Welt». Damit ist alles gemeint, was irgendwie tönt: die Natur und die Tiere, die Umwelt und Maschinen, aber auch der Klang der menschlichen Stimme.
Sprache und Musik liegen in Korea also eng beisammen. Die Gedichte, die im Konzert auf koreanisch rezitiert wurden, waren denn auch in ihrer sanften und melodiösen Klanglichkeit besonders berührend.
Wie war die Liebe? (17. Jahrhundert, Lee Myung-Han oder anonym; übersetzt von Hoo Nam Seelmann)
Wie war sie, die Liebe? War sie rund oder voller Kanten?
Währte sie lang oder verweilte sie nur kurz?
Ist ihre Weite überhaupt zu vermessen?
Ah, lang hat sie sich nie angefühlt, aber wie sie geendet,
kann ich nicht sagen.
Die koreanische Poesie widerspiegelt vielleicht am deutlichsten das Lebensgefühl der Koreanerinnen und Koreaner: ein Lebensgefühl voller Weltschmerz, in der die Schönheit vor allem in der Melancholie zu finden ist.