Die Fernsehshow «The Voice of Switzerland» ist noch in den Vorrunden: Die vier Stars in der Jury haben bald ihr Team aus je 10 vielversprechenden Talenten zusammen. 40 Stimmen haben also eine Chance, ins Finale zu kommen, eine Chance auf den Titel «The Voice of Switzerland».
Das Urteil des Profis
Peter Heilker hat als Dramaturg an vielen Musiktheatern und mit international namhaften Regisseuren gearbeitet. Als Operndirektor am Theater St.Gallen castet er alle Stimmen, auch die Musical-Darstellerinnen und Sänger. Wie kommt die Casting-Show der neuen Rock-, Pop- und Chanson-Stimmen für einen Profi aus dem Showbiz herüber?
«Es ist eine hochemotional gekochte Geschichte», stellt Peter Heilker fest. Wenn er drauf zappt, geht es für ihn weniger um den wirklichen Gänsehaut-Effekt einer neuen Stimme, sondern um das Darstellen dieses Effekts. Und das auf beiden Seiten: Die Kandidatinnen und Kandidaten mit ihren Begleitern wie auch die Jury werden in möglichst emotionalen Einstellungen gezeigt.
Jeder hat eine Chance – das macht‘s mit der Zeit auch beliebig
Warum drückt Stephanie Heinzmann den Buzzer? Wie stellen Stress, Fankhauser und Sway ihre 10er-Teams zusammen? Die Auswahl-Kriterien der Jury sind für Peter Heilker nicht auf Anhieb durchschaubar. Erste Regel: Es hat jeder eine Chance, egal wie er oder sie aussieht.
Es sei ziemlich egal, aus welcher Richtung die Stimme kommt: Rock, Pop, Musical, Chanson. Es müsse auch keine ausgebildete Stimme sein, gar nicht – das Durchlässige von «The Voice» mache das Format ja auch so sympathisch. Allerdings auch etwas beliebig, mit der Zeit.
Kuschelkurs der Schweizer Jury
Die Show «The Voice» wurde unterdessen schon von rund 40 Fernsehstationen weltweit gekauft, sie läuft von Albanien und Grossbritannien über China bis Vietnam. Der Vergleich der Schweizer Ausgabe mit «The Voice of Germany» zeigt für Peter Heilker wenig Unterschiede. Vielleicht ist der Ton der Jury dort etwas schärfer, scharfzüngiger als bei der Schweizer Jury. Hier stellt er doch in den ersten Sendungen einen auffälligen Kuschelkurs der Jurymitglieder untereinander fest.
«Geschickt gemacht»
Für den Musiktheater-Profi ist jede Ausgabe der Fernsehshow nach einem ähnlichen Muster gestrickt: «Es beginnt mit einem Paukenschlag. Nach einer Introduktion braucht es einen ersten Konsens der Jury für einen total überzeugenden Kandidaten. Das ist dann in der aus verschiedenen Vorrunden zusammengeschnittenen Show auch der erste emotionale Aufwaller.»
«Danach kommen die kleinen Zweifler», analysiert Heilker weiter, «der klassische Konflikt: Nimmt man den Kandidaten oder nimmt man ihn nicht? Im weiteren Verlauf braucht es einen weiteren Konsens der Jury und – gegen Ende der Show – auch einen Überraschungs-Kandidaten: Jemand, der oder die es von den biografischen Gegebenheiten oder von der Physis her nicht erwarten lässt, dass er in der Show auftritt.»
Das Auge hört mit
Neue Stimmen im Blindverfahren zu testen macht für Peter Heilker durchaus Sinn, wenn man sich nur auf die Stimme konzentrieren will. Für die Bühne und eine weitere Karriere komme das allerdings nicht in Frage, denn: «Das Auge hört mit, ganz klar.»
Ob im Musical, ob in der Oper. Auch eine Opernstimme werde ja heute von den grossen Agenturen und Plattenfirmen als Gesamtpaket verkauft, über die glamouröse Ausstattung bis hin zu Auftritten in TV-Shows und entsprechend getakteten Tourneen. Da spiele das Aussehen und Outfit eine ganz wichtige Rolle.
Aus der Casting-Show auf die Musical-Bühne
Schaffen es denn Talente, die aus einer Casting-Show am Fernsehen hervorgegangen sind, auch auf der Profibühne? Das kommt immer wieder vor, als Ausnahme. Peter Heilker nennt als konkretes Beispiel aus seinem Haus die Sängerin Patricia Meeden, die nach dem TV-Erfolg in Deutschland bereits CD-Aufnahmen mit Xavier Naidoo gemacht hat und im März 2013 in St.Gallen ihr Debut im Musical «Moses» gibt.