Normalerweise ist es die Fangemeinde, die an Fussballspielen singt. Doch in der «Mid Size Robo Soccer Music» von Ralf Hoyer sind es die Sportler selbst. Sie singen, oder besser gesagt, fiepen, gurren, quietschen. Und es sind keine Spieler aus Fleisch und Blut, sondern Roboter.
Paradoxon «Menschenzeitalter»
Auf einem Spielfeld im Berliner «Haus der Kulturen der Welt» (HKW) treten die Fussballrobos der Universität Kassel gegen diejenigen der TU Eindhoven an. Mittels Signalen verständigen sich die Roboter. Signale, die sich die putzigen Maschinchen gegenseitig zutröten.
Das viertägige Festival «Unmenschliche Musik» ist Teil des grösseren Anthropozän-Pojekts 2013/14 am HKW. Mit «Anthropozän» versuchen Wissenschaftler und Künstler jenes Zeitalter zu benennen, das massgeblich vom Menschen bestimmt ist, also unsere Zeit. Eine Zeit, in welcher aber auch menschliches Handeln in vielerlei Bereichen von der Technik abgelöst wird. In der Produktion von Gütern etwa, in der Kommunikation – und auch in der Musik. Der verschwindende Mensch im «Menschenzeitalter» ist nur scheinbar ein Paradoxon. Denn die Technik, die uns zum Verschwinden bringt, ist ja immer noch menschengemacht.
Piano spielen mit vibrierenden Handys
So fiepen etwa die Robo-Fussballer nur dank menschlicher Technik. Und auch das «Prepaid Piano» des Berliner Musikers Andrew Pekler tönt dank menschlicher Hilfe. Pekler fordert die Zuhörer auf, Mobiltelefone anzurufen, die in einem Flügel liegen und dessen Saiten mittels Vibrationsalarm zum Schwingen bringen. Handys, die «prepaid» sind, vorbezahlt. Wohl vor allem des hübschen Wortspiels wegen, das diese Installation mit dem «Prepared Piano» des Musik-Vordenkers John Cage verschwistert.
Grosser Publikumserfolg
Der Mensch steckt hinter jeder Musik, selbst wenn sie primär technisch erzeugt ist – oder im Fall einer Klangcollage aus dem Krachen und Knacken der Eismassen eines Gletschers. Das kasachisch-deutsche Künstlerduo Artyom Kim und Lillevan hat solche Gletschermusik vor dem HKW aufgeführt. In der eisigen Kälte eines Berliner Wintersonntags.
Solche Klanginstallationen, die Multimedia-Performance des japanischen Sound-Designers und Filmemachers Nobukazu Takemura, aber auch ein Gitarre spielender Schrott-Roboter, ein Bastelkurs für Kinder – das Festival «Unmenschliche Musik» hat ein grosses Publikum angesprochen. Denn Musik ist für die meisten Menschen wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Darum vielleicht, weil Musik so etwas ist, wie menschliches Urgeschrei im Kunstgewand.
Der menschliche Einfluss nimmt ab
Detlef Diederichsen, Co-Kurator des Festivals, ist sich sicher, dass Musik dereinst vom Menschen unabhängig existieren, ja produziert werden könnte. «Es gibt ja bereits Software, die eigentätig komponiert», sagt Diederichsen. «Bei solcher Musik wird der menschliche Einfluss immer geringer.»
Er könne sich vorstellen, dass Maschinen, die sich in Zukunft selbst programmieren, irgendwann «unmenschliche» Musik herstellen. Auch wenn am Anfang solcher künftigen Generationen von sich selbst programmierenden Maschinen immer ein Mensch gestanden habe. Das Wirken des Menschen sei in dieser Zukunft nicht mehr «so ausschlaggebend».
Tschüss Mensch, heisst es also irgendwann – auch in der Musik. Für uns heute klingt das noch futuristisch. Doch eine Ahnung von dieser Zukunftsmusik haben wir schon einmal bekommen.