Kultfilmregisseur Jim Jarmusch stapft mit seinem Gitarrenkoffer im dunklen Backstage-Bereich über sorgsam ausgelegte Holzschnitzel – eine suggestive Szenerie, die einem seiner Filme entstammen könnte. Ob er mit seinem selbstversunkenen Auftritt zufrieden ist? Wir wissen es nicht. Kein Wort von dem Mann, der hier Kräfte tankt für seinen bevorstehenden Auftritt in Cannes, wo er zwei Tage später mit seinem neuen Film der Meute vorgeworfen wird.
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Oder der wuschelhaarige Sänger Kurt Vile aus Philadelphia: Ihn erinnert das urgemütliche Gelände am Rande der Zivilisation an eine verwunschene Szenerie aus Star Wars mit den putzigen Ewoks.
Von Verzückung bis Überforderung
Beides typische Kilbi-Momente: Da treten Künstler auf, die das Publikum begeistern und herausfordern. Manchmal auch überfordern. Hauptsache, es passiert etwas Aussergewöhnliches. Exzentriker haben hier ihren Platz neben Rätselhaften, die Palette reicht in diesem 23. Jahr in Bad Bonn wieder von intimen sinfonischen Darbietungen über Gitarrenrock bis zu Hardcore Hip-Hop.
Noch bis in die 60er Jahre erholten sich Kurgäste in Bad Bonn. Heute ist es ein Ort der alternativen Musikkultur. Mit Ganzjahresprogramm im Klub und der international etablierten Kilbi. Understatement und Selbstironie gehören mit dazu, legendär ist schon nur der Schriftzug am Klubhaus: «Where the hell is Bad Bonn?» Manch ein Tourbusfahrer soll schon geflucht haben, als er sein grosses Gefährt über das schmale Strässchen vorbei an idyllischen Feldern und alten Bauernhäusern zirkeln musste.
Shoegazer und Progressive-Magier
Zampano dieses sympathisch verrückten Jahrmarkts ist Daniel Fontana. Er programmiert seit Beginn mit Leidenschaft und dem Gespür für befruchtende Kombinationen. 2200 Leute können an jedem der drei Tage aufs Gelände, mehr sollen es nicht werden, trotz grosser Nachfrage.
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Zurück ins Hier und Jetzt: Die irisch/englische Kultband My Bloody Valentine tritt auf. Sie steht nicht im Ruf, das grelle Licht zu suchen, und gilt als Pionier des «Shoegazer»-Genres: Der Blick ist nach unten gerichtet, auf die Schuhe oder eher die Effektgeräte. Wieder neu formiert, sind sie mit ihrem ersten Album seit zwanzig Jahren unterwegs und geben in Düdingen eine laute Demonstration ihres verzerrten Gitarrensounds.
Sympathisch unkommerziell
Zweifellos der Höhepunkt dieser drei aussergewöhnlichen Tage ist aber der Auftritt der Progressive-Rockband Flaming Lips aus Oklahoma am späten Samstag abend. Der exzentrische Sänger Wayne Coyne inszeniert sich dabei als musikalischer Hohepriester, die Bühne ist voller Plastikschläuche, durch die LED-Lämpchen wie Blut pulsieren. Und auch sonst passiert allerhand Aufregendes, zum Beispiel beschliesst die Band mit einem hypnotisch düsteren Konfettiregen die diesjährige Kilbi – einmal mehr ein durch und durch sympathischer und wohltuend unkommerzieller Auftakt der Festivalsaison.