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Musikalischer Liebeskummer Springsteens Album fürs Herz, nicht für die Fans

Auch ein Bruce Springsteen hat Liebeskummer. Er verarbeitete seine Gefühle auf dem Album «Tunnel of Love». Es war ein schonungslos persönliches Statement, das seine Biografie «Born To Run» vorwegnahm.

Gross waren die Erwartungen, als 1987 ein neues Album von Bruce Springsteen angekündigt wurde. Immerhin war der Mann der Rockstar des Momentes: 1984 war er mit «Born in the USA» ein Weltstar geworden.

Die folgende Tournee durch die Fussballstadien der Erde war ein Triumph und Anlass zu einer umfangreichen Sammlung von Live-Aufnahmen, die millionenfach verkauft wurden. Die drei CDs gaben einen guten Eindruck der schieren Energie und Wucht seiner E Street Band.

Ein Mann kehrt in sich

Dann kam das neue Werk «Tunnel of Love». Bereits auf der Hülle kündigte sich eine Änderung an. Keine Erwähnung der Band, man sah keinen erfolgreichen, selbstbewussten Rockstar, sondern einen nachdenklichen Mann im schwarzen Anzug, im weissen Hemd und Bolo Tie.

Er lehnt sich, Hände in den Hosentaschen, an ein crèmefarbiges Vintage-Auto, im Hintergrund das weite Meer. Fröhlich war dieser Mann nicht, er blickte eher zweifelnd in die Kamera.

Die Musik: keine E Street Band, kein Rock’n’Roll. Stattdessen gab’s zehn mehrheitlich balladenhafte Songs, in einem eigenen musikalischen Terrain zwischen Folk, Country und den modernen Sounds des Tages. Es passt zum Inhalt dieser Songs.

Dokumentation über den «Boss»

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Legende: SRF / Sony Music

Seine Karriere erscheint wie der wahr gewordene amerikanische Traum. Doch Bruce Springsteen erzählte immer auch von dessen Schattenseiten. Im Filmporträt «Born to Run» blickt Springsteen auf sein Leben zurück.

Von der Kraft zum Herzschmerz

Für einen, der mit einem ganzen Sortiment fiktiver Figuren das amerikanische Leben abgebildet hatte, waren diese Songs geradezu schmerzvoll introvertiert. Die Titel sprachen Bände: «Cautious Man» (Vorsichtiger Mann), «Two Faces» (Zwei Gesichter) «Ain’t got you» (Dich hab ich nicht) oder etwa «Brilliant Disguise» (Tolle Verkleidung).

Keine Songs über die befreiende Kraft des Rock’n’Roll, keine düsteren Lieder über die Schattenseiten der USA oder das Leben der Arbeiterklasse, aus der er stammte.

Über die Länge eines Albums hinweg erkundete der Rock’n’Roller sein eigenes, männliches Verhalten in einer Paarbeziehung, schrieb über Wahrheit und Konsequenzen der Liebe. Man wurde den Eindruck nicht los, dass hier einer sein eigenes Leben auslotete. Was war geschehen?

Heirat, Affäre, Scheidung

Mitten in der triumphalen Welttournee, am 13.5.1985, hatte Springsteen die junge Schauspielerin Julianne Phillips geheiratet. Das kam überraschend für einen Musiker, der bisher mit seiner Band verheiratet schien. Auch er selbst wirkte überrascht.

Denn es gab da noch eine andere Frau. Seit 1984 war Patti Scialfa die starke Stimme im Chorgesang der Band. Abend für Abend standen Scialfa und Springsteen auf der Bühne. Es dauerte nicht lange, bis Gerüchte über eine Affäre die Runde machten.

Die Gerüchte bestätigten sich. 1989 liess sich Springsteen von Phillips scheiden. Zwei Jahre später heiratete er Patti Scialfa.

Das ehrlichste Männer-Album über Liebe

«Tunnel of Love» dokumentierte das Auseinanderfallen eines Paars, die psychologischen Fallen und Hindernisse, die Trauer und die Verzweiflung ob des Scheiterns.

Springsteen breitete sein eigenes Leben vor einer grossen Hörerschaft aus. Die Fans reagierten verstört. «Tunnel of Love» verkaufte sich zwar immer noch gut, brachte aber nur noch einen Bruchteil dessen ein, was die beiden letzten Alben einnahmen.

Unter Kollegen allerdings hat dieses Album einen anderen Stellenwert. Elvis Costello und Solomon Burke coverten etwa Stücke daraus, und Ian Currie, Sänger der schottischen Band «Del Amitri» sagte einst: «‹Tunnel of Love› ist das ehrlichste aller Alben, die Männer über die Liebe geschrieben haben. Das braucht Mut.»

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