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Musiker vor der Kamera «Ein gutes Foto ist wie Musik – mit Rhythmus und Balance»

Bilder bestimmen heute die Welt – auch die Welt der Musik. Aber wie setzt man Musikerinnen und Musiker am besten in Szene?

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21.02.2020, 15:26

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Marco Borggreve ist einer der erfolgreichsten Fotografen in der Klassik-Szene. Kaum ein Star, der sich nicht von ihm porträtieren lässt. Was ist für ihn ein gutes Bild?

«Für mich ist es dann ein gutes Foto, wenn Musik darin ist», sagt Marco Borggreve. «Man muss die Regeln der Musik erkennen – Struktur, Linien, Phrasen, Rhythmus und Balance.»

Alte Instrumente vor Industriechic

Wie er all das in ein einziges Foto packt, lässt sich bei einem Fotoshooting mit dem Oliver Schnyder Trio in der Tonhalle Maag in Zürich beobachten. Der alte Industriechic gefällt dem Fotografen. Die offenen Betonflächen, die harten Stahlbalken und die grossen Fenster bringen klare Linien aufs Foto.

Sie stehen im Kontrast zu den fein geschwungenen alten Instrumenten der Musiker. Kontraste sind Marco Borggreves Markenzeichen.

  • das Oliver Schnyder Trio mit dem Geiger Andreas Janke, dem Cellisten Benjamin Nyffenegger und dem Pianisten Oliver Schnyder. Sie befinden sich an einer Bar im Eingangsbereich der Tonhalle Maag in Zürich. Der Boden ist dunkelblau. Die Wand ist im unteren Teil braun, im oberen Teil weiss gestrichen. Im Hintergrund weisen ein grosses Fenster und ein starker Metallbalken darauf hin, dass die Tonhalle Maag früher als Industriegebäude gedient hat. Rechts im Bild führt kleine Treppe zu einer Glastür. Fenster und Glastür sind weiss belichtet, draussen scheint die Sonne. Die drei Musiker tragen dunkle Anzüge mit schwarzen Hemden.
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    Legende: Klassik gepaart mit Industriechic: Das Oliver Schnyder Trio in der Tonhalle Maag in Zürich. Marco Borggreve
  • Das Bild ist in schwarz-weiss gehalten. Im Hintergrund sieht man eine hohe Betonwand; im Vordergrund die drei Musiker, die an einem Tisch stehen. Der Bildausschnitt zeigt nur ihre Oberkörper und die Tischplatte aus Holz. Die Wand aus Beton nimmt die oberen zwei Drittel des Bildes ein. Die drei Musiker tragen dunkle Anzüge; ihre Instrumente sind nicht mit im Bild. Alle drei stützen sich mit ihren Unterarmen auf der Tischplatte ab und nehmen nachdenkliche Posen ein: eine oder beide Hände stützen jeweils das Kinn. Alle drei blicken konzentriert in die Kamera und lächeln leicht.
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    Legende: Gleiche Formation, komplett andere Ästhetik: Das Oliver Schnyder Trio, ebenfalls fotografiert in der Tonhalle Maag. Marco Borggreve
  • Das Bild ist in Blau- und Grautönen gehalten. Wir sehen den Pianisten Oliver Schnyder, wie er an einer dunkelblauen Säule lehnt. Die Säule befindet sich in einer geräumigen, hohen Unterführung, die sich im Hintergrund ins Helle öffnet. Oliver Schnyder trägt einen dunkelblauen Mantel, blaue Jeans und einen dunkelblauen Pullover. Er schaut in die Kamera und lächelt. Ein Klavier ist nicht abgebildet
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    Legende: Musiker ohne Instrument: Oliver Schnyder, fotografiert im Zürcher Toni-Areal. Marco Borggreve

Mit gezieltem Lichteinsatz – und einer guten Nachbearbeitung mit Photoshop – macht Marco Borggreve aus seinen Fotos inszenierte Kunstwerke. Und bringt damit Musik in die Bilder.

«Das Klare, Analytische seiner Bilder, auch die Transparenz – das sind Dinge, die uns auch in der musikalischen Arbeit im Trio wichtig sind», sagt Musiker Oliver Schnyder.

Beethovens grimmiger Blick

Inszeniert haben Musiker ihre Porträts seit jeher. Zum Beispiel Ludwig van Beethoven in seinem berühmten Gemälde von Joseph Karl Stieler. «Der Wald im Hintergrund, der grimmige Blick, das wilde Haar – eine solche Darstellung eines Musikers war damals absolut neu», sagt die Kunsthistorikerin Martina Papiro.

  • Das Portrait zeigt Ludwig van Beethoven in mittlerem Alter. Er trägt einen schwarzen Gehrock, ein weisses Hemd und einen leuchtend roten Schal. In der linken Hand hält er ein Notenheft. Auf der Rückseite dieses Notenhefts steht in schöner Schreibschrift geschrieben: «Missa Solemnis». Die Vorderseite des Notenheftes zeigt Notenlinien und den Anfang des Wortes: «Credo». In der rechten Hand hält Beethoven einen Stift.
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    Legende: Grimmiger Blick, wildes Haar: Ludwig van Beethovens Porträt (1820) von Joseph Karl Stieler lief den gängigen Konventionen der Musikerporträts zuwider. Wikimedia
  • Der Hintergrund ist schwarz, im Vordergrund sitzt eine junge Frau. Ihre Darstellung ist ein Bouquet voller Sinnesreize: Ihr lockiges Haar leuchtet rotblond, ein schwarzes Band hält es locker zusammen. Daran sind zwei grosse buschige Federn befestigt - eine in weiss, eine in Beige. Die Haut der jungen Frau ist zartrosa, ihr Kleid ist aus goldenen, hellblauen und weissen Stoffen gearbeitet. Es entblösst ihre rechte Schulter und den Brustansatz. Die junge Frau blickt spielerisch zur Seite – zu etwas ausserhalb des Bildes. Ihr Mund ist leicht geöffnet, als ob sie spricht oder singt. Dazu hält sie ihre Barockgitarre in den Händen - und spielt darauf.
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    Legende: Musikerporträts sind kein neues Phänomen: «Frau, Gitarre spielend» von Gerrit van Honthorst, Utrecht, Öl auf Leinwand, 1656. Wikimedia
  • Ein junger Mann trägt eine prächtige Kleidung: einen dunkelblauen Gehrock mit rot-goldenen Verzierungen. In der linken Hand hält er ein Notenblatt.
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    Legende: Mit Notenblatt in der Hand: Der berühmte italienische Sänger (Kastrat): Carlo Broschi, genannt Farinelli (1705-1782). Wikimedia

Damals hatte alles geordnet auszusehen – schon eine Locke, die quer steht, war ein symbolisches Zeichen des Widerstandes. Dass diese Widerständigkeit Beethovens musikalisches Credo ist, hat er ebenfalls im Bild festhalten lassen: mit dem Notenblatt in der Hand, dass das «Credo» aus seiner Missa Solemnis zeigt.

Den richtigen Moment erwischen

Auch ohne Inszenierung entstehen Bilder voller Klang – in der Konzertfotografie. Dort hat der Fotograf keinerlei Einfluss auf die Personen auf der Bühne, keinen Einfluss aufs Licht. Doch wer im richtigen Moment abdrückt, bekommt Bilder mit Gesten, die verraten, wie emotional Musik sein kann.

  • Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Orchesters und den Dirigenten; es ist vom hinteren Teil der Bühne aus aufgenommen. Die Blickrichtung ist leicht erhöht. Wir sehen die vorderen beiden Pulte der ersten Geigen, der Celli und der Bratschen; den Dirigenten, und im Hintergrund das Publikum. Die Musikerinnen und Musiker schauen konzentriert in ihre Noten, die Bögen sind auf den Instrumenten, sie spielen gerade. Der Dirigent dirigiert ohne Noten. Er steht breitbeinig auf seinem Podest, geht leicht in die Knie und beugt sich in Richtung der ersten Geigen. Im Zentrum des Bildes ist seine linke Hand: sie zeigt ausgestreckt auf die ersten Geigen, mit einer Geste, die mehr Klang von den Geigen fordert.
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    Legende: Der richtige Moment entscheidet über Fotos mit emotionalem Gehalt: Das West-Eastern Divan Orchestra mit ihrem Chefdirigenten Daniel Barenboim beim Schlussatz der 4. Sinfonie von Tschaikowsky. Lucerne Festival / Priska Ketterer
  • Das Bild zeigt einen Ausschnitt des Orchesters und den Dirigenten; es ist vom hinteren Teil der Bühne aus aufgenommen. Die Blickrichtung ist leicht erhöht. Wir sehen die vorderen Pulte der Streicher; den Dirigenten, und im Hintergrund das Publikum. Fast alle Musikerinnen und Musiker schauen zum Dirigenten. Er steht aufrecht da und blickt auf seine Partitur. Seinen linken Arm hebt er in die Richtung der ersten Geigen hoch, die Hand ist ebenfalls erhoben – als wolle er den Klang in der Schwebe halten. Die Bögen der Musikerinnen und Musiker sind in der Luft - gerade ist hier ein Ton zu Ende gegangen.
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    Legende: So sieht der gleiche Schlussatz im Schlussatz von Tschaikowsky bei den Wiener Philharmonikern mit dem Dirigenten Bernard Haitink aus. Lucerne Festival / Priska Ketterer
  • Eine Frau und ein Mann von hinten in einem Museumsraum. An der rechten Wand hängt ein Landschaftsgemälde mit Goldrahmen. Sie trägt ein rotes Abendkleid, er einen schwarzen Anzug. Beide haben ihre Instrumente in den Händen. Sie laufen nebeneinander von einem Museumsraum in den nächsten. Sie sind von hinten abgebildet.
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    Legende: Momentaufnahme im Museum: Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und der Cellist Jay Campbell. Lucerne Festival / Priska Ketterer

Wie zum Beispiel in einem Foto vom Konzert mit Joshua Redman und seiner Band Still Dreaming beim Jazz Festival Willisau. Die dunkle Bühne ist mit farbigen Scheinwerfern beleuchtet, die Bandmitglieder stehen dicht beieinander. Sie schauen einander nicht an – doch man spürt die magische Verbindung der Musik, ihre Konzentration, ihren Groove.

Eine Momentaufnahme während eines Jazzkonzerts. Die dunkle Bühne ist mit einzelnen, farbigen Scheinwerfern beleuchtet. Die Mitglieder der Band «Still Dreaming» mit Kontrabass, Schlagzeug, Trompete und Saxophon stehen dicht beieinander und spielen ihre Instrumente. Sie schauen einander nicht an, und bilden doch eine Einheit.
Legende: Magische Verbindung ganz ohne Blickkontakt: Die Band Still Dreaming am Jazz Festival Willisau. Marcel Meier

Austausch unter Fans

Diese und ähnliche Fotografien aus dem Publikum kursieren nach dem Konzert auf Instagram und Facebook. In speziellen Foren tauschen sich Fans über das Konzert und den besten Ausschnitt der Fotos aus.

Das zeigt: Musikfotografie ist nicht nur für Profis. Sie ist für alle – genauso wie die Emotionen, die Musik auslösen kann.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Passage, 21.02.2020, 20 Uhr

Neo.mx3.ch: zeitgenössische Schweizer Musik teilen und entdecken

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Als gesamtschweizerisches Pilotprojekt zeigt neo.mx3 das zeitgenössische Musikschaffen in Ton, Bild und Video.

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