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Musikindustrie im Wandel Wie Musikpirat Napster den Plattenfirmen den Weg wies

Vor 20 Jahren wurde der Musik-Download-Dienst Napster geschlossen. Das war aber nur ein frühes Zucken in einem grossen Transformationsprozess der Musikindustrie.

Der Musik-Download-Dienst Napster war um die Jahrtausendwende eine kleine Revolution. Man konnte mit der Software nach Künstlerin oder Titel suchen und dann gefundene Musiktitel im MP3-Format herunterladen. Ohne zu bezahlen.

Das MP3-Dateiformat gab es zwar schon vorher. Und auch Websites, von denen man die Musikdateien herunterladen konnte. Aber es gab keine einfache, zentrale Suche. Langsame Downloads brachen oft ab, mussten von Hand neu gestartet werden – alles recht umständlich. Napster löste beide Probleme auf einen Schlag und machte Musik zugänglich wie nie zuvor.

Metallica wird Napster zum Verhängnis

Entsprechend beliebt war Napster: 80 Millionen Nutzerinnen und Nutzer tauschten fleissig Musik – nicht nur aktuelle Hits, sondern auch schwer oder gar nicht erhältliche Raritäten.

So eine Rarität wurde dem Dienst zum Verhängnis: Eine noch unveröffentlichte Single der Band Metallica zirkulierte auf Napster und wurde von Radiostationen gespielt. Das erfuhr die Band – und stellte fest, dass dort ihr gesamtes Repertoire zirkulierte, natürlich ohne ihr Einverständnis.

Problemzone Piraterie

Den unvermeidlichen Prozess gegen den amerikanischen Musikindustrie-Verband RIAA verlor Napster. Dass sie die Musikdateien nicht selber anboten, sondern die Nutzer diese direkt mit anderen teilten (in einem sogenannten «Peer to Peer»-Netzwerk); dass nicht bei jeder Datei Lizenzrechte verletzt wurden, dass es auch Fair-Use- oder Privatkopie-Szenarien gab – alle diese Argumente nützten nichts, Napster musste schliessen.

Ein junger Mann in einer Traube von Menschen. Ein Fotograf hat die Kamera auf ihn gerichtet.
Legende: Napster-Gründer Shawn Fanning beim Verlassen des Gerichtsgebäudes in San Francisco, nachdem ein Richter die Schliessung des Dienstes angeordnet hatte. Reuters

Das war der erste Erfolg der Musikindustrie im Kampf gegen die Piraterie. Dank Streaming ist dieser Kampf mittlerweile entschieden: Bereits 60 Prozent des Umsatzes mit Musikaufnahmen wird mit Streamingdiensten erzielt, und diese Einnahmen wachsen stark.

Radikale Umwälzung

Beim Streaming kann der Anbieter die Einhaltung der Lizenzrechte viel leichter kontrollieren als bei Downloads. Somit gibt es zwar Piraterie immer noch, sie fällt beim Umsatz einfach nicht mehr ins Gewicht.

Doch die Piraterie war ohnehin nie das Hauptproblem der Musikindustrie. Vielmehr durchlief sie eine radikale Umwälzung, weil sich Nutzungsgewohnheiten innert kürzester Zeit komplett veränderten.

Zuvor war der Umsatz mit Aufnahmen am wichtigsten. Die Umsätze brachen aber massiv ein. Dafür nahmen die Einnahmen aus Live-Aufführungen stark zu. Während früher das Konzert günstig war und als Werbemassnahme für die Platte diente, ist es heute genau umgekehrt. Das Live-Miterleben eines Songs scheint mehr wert zu sein, als ihn gespeichert zu haben.

Erfolgreicher Wandel, aber nur widerwillig

Ausserdem stieg das Lizenz-Geschäft an. Heute werden viel mehr Inhalte produziert als vor 20 Jahren. Jede Netflix- oder YouTube-Show braucht Musik und bezahlt dafür. Insgesamt gingen die Umsätze also nicht zurück, sondern verlagerten sich innerhalb der Industrie. 

Damit ist der Musikindustrie zwar eine erfolgreiche Transformation gelungen – aber nur widerwillig. Die wichtigen Entwicklungen wurden von aussen angestossen. Die Benutzerfreundlichkeit von Napster zum Beispiel. Auch Apples iTunes oder der Streamingdienst Spotify setzten sich nur gegen anfänglichen Widerstand der Musikindustrie durch.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 9.7.2021, 17:10 Uhr

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