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Nach dem Songdebakel der SVP Experte: Erfolg von Wahlkampf-Musikvideos ist nicht nachweisbar

Die SVP wollte mit einem «We Are Family»-Cover auftrumpfen. Nun wurde es gesperrt. Aber was bringt Musik im Wahlkampf überhaupt?

Dieser Schuss ging nach hinten los. Mit dem Musikvideo «Das isch d’SVP» wollte die SVP für ihren Wahlkampf Stimmung machen: Das Youtube-Video wurde Anfang Woche innert kürzester Zeit über 10'000-mal aufgerufen. Kurz darauf war die Party allerdings schon wieder vorbei, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.

Das Video wurde von Youtube gesperrt. Sony Music hatte eine Beschwerde wegen mutmasslicher Verletzung des Urheberrechts eingereicht. Der Grund: Der Refrain des SVP-Songs hat starke Ähnlichkeit mit der Melodie des Hits «We Are Family» der Band Sister Sledge aus dem Jahr 1979.

Auf die Vorwürfe des Plagiats angesprochen, erklärte SVP-Nationalrat Thomas Matter gegenüber der «Aargauer Zeitung», dass der Song nichts mit «We Are Family» zu tun habe. Er habe das Lied selbst geschrieben und komponiert.

«We Are Family»-Urheber ist not amused

Anders sieht das der Komponist des Songs, Hit-Produzent Nile Rodgers. Der Musiker schreibt auf dem Kurznachrichtendienst «X» (ehemals Twitter), er habe «We Are Family» als ultimativen Song über Integration und Vielfalt auf allen Ebenen geschrieben.

Deshalb verurteile er die Verwendung des Songs durch die SVP oder alle anderen, die sich nicht an die Werte des Liedes und aller anständigen Menschen halten. Es seien die notwendigen Schritte eingeleitet worden, damit die SVP die Verwendung des Songs unterlässt.

Populär bei rechts und links

Wahlkampfsongs sind seit Jahren bei vielen Parteien ein beliebtes Mittel, um Stimmen von Wählerinnen und Wählern zu gewinnen. Im Jahr 2011 ging zum Beispiel der Berner SP-Politiker Roland Näf mit einem Wahlkampfsong auf Stimmenfang. 2015 buhlten die Grünliberalen mit einem Song um Stimmen.

Im selben Wahljahr war zudem die SVP mit dem Wahlkampfsong «Welcome to SVP» sehr erfolgreich. Das Lied landete zwischenzeitlich sogar in der Schweizer Hitparade.

Pop-Hit oder Pfadfinderrunde?

Die Qualität von solchen Wahlkampfsongs schwankt allerdings stark. Dieser Meinung ist auch der Politanalyst Mark Balsiger. Er ist Autor mehrerer Bücher über politische Kommunikation.

«Es gibt ein paar wenige Lieder, die professionell produziert sind», erklärt Balsiger, «und dann gibt es viele, die mit bescheidenen Ressourcen aufgenommen wurden. Die klingen eher nach einer Pfadfinderrunde ums Lagerfeuer.» Im Zweifel erntet man statt Stimmen an der Urne eher Spott und Hohn.

Erfolg lässt sich nicht nachweisen

Parteien und Politiker gehen also jeweils ein gewisses Risiko ein, wenn sie einen Wahlkampfsong veröffentlichen.  Und das, obwohl nicht nachgewiesen werden könne, ob sich Wahlkampfsongs positiv auf das Wahlergebnis auswirken, so Balsiger: «Bei der Entscheidung, wem man seine Stimme gibt, ist vor allem die Sozialisierung entscheidend. Sie ist viel wichtiger als die flüchtigen Werbeeindrücke, die einem im Wahlkampf begegnen.»

Auch wenn ein positiver Effekt von Wahlkampfsongs auf das Wahlergebnis nicht nachweisbar ist, dürfte eines unbestritten sein: Bei der Qualität dieser Songs könnten einige Parteien und Politiker nochmal über die Bücher gehen.

SRF 1, G&G Flash, 15.08.2023, 15:55

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