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Foto von Endo Anaconda mit Mikrofon und im Hintergrund Scheinwerfer.
Legende: Endo Anaconda ist die Seele von Stiller Has. Keystone

Neues Album Stiller Has: Eine alte Mundartband erfindet sich neu

Die Band Stiller Has startet mit neuen Klängen ins Jahr 2017. Das Album «Endosaurusrex» ist alles andere als eintönig.

Ein Hase hält selten still, am allerwenigsten ein Stiller Has. 28 Jahre gibt es diese Band aus Bern, zehn Studio-Alben sind bis jetzt erschienen, ein Gesamtwerk, das hierzulande seinesgleichen sucht. Zum elften Album «Endosaurusrex» gibt es wieder einen Richtungswechsel.

Band mit Geschichte

Der Stille Has ist ein fluktuierendes Gebilde. Zuallererst gab es das Duo von Sänger Endo Anaconda und dem Multi-Instrumentalisten Balts Nill, dann wurde zum Trio aufgestockt, dann zum Quartett mit dem ausserordentlichen Gitarristen Schifer Schafer. Die letzten sieben Jahre blieb man bei dieser Konstellation. Nun die neuste Formation, ein Quintett.

Einzige Konstante in diesem Wechselspiel: der Wortakrobat Andreas Flückiger alias Endo Anaconda. Um ihn geht es letztlich, um seinen wuchtigen Gesang, seine Texte, seine Alltagssorgen und Erlebnisse, die er wie stets offen zur Sprache bringt. Anaconda ist der Stille Has, zumindest seit dem Abschied seines kongenialen Partners Balts Nill im Jahr 2005. Anaconda bestimmt die musikalische Gangart, und das ist auch gut so.

Neue musikalische Wege

Vorbei sind die früheren Zeiten des Dada-Blues, vorbei die Zeiten der Blues Band «mit meh Füdle», wie das Anaconda zu bezeichnen pflegte. Anstelle der herkömmlichen Gitarre-, Bass- und Schlagzeug-Formation, die noch in den letzten Monaten gemeinsam auftrat, gibt es nun ein rundum erneuertes, musikalisch vielfältig aufgestelltes Quintett. Kurz gesagt: Stiller Has ist nun keine Blues-Band mehr.

Die neuen Stücke wurden wie immer von Anaconda getextet, diese wurden aber von neuen musikalischen Partner vertont. Der Pianist Roman Wyss hat viel im Musical- und Kleinkunstbereich gearbeitet, den Gast-Akkordeonisten Mario Batkovic kennt man von seiner Solo-Arbeit und von den «Kummerbuben».

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Keyboards im Zentrum

Diese beiden Komponisten geben den neuen Hasenstücken eine andere Prägung: Im Zentrum stehen nun die Keyboards, das Klavier, selbst Streicherarrangements verzieren dieses Album. Der neue Has ist abwechslungsreich, nur schon rhythmisch: «Zwärg» ist ein Country-Galopp, das folgende «Endosaurusrex» ein tanzbarer Latino-Rhythmus, die beiden zusammengehörenden Songteile «Witwe»/«Julia» sind von osteuropäischer Folklore und dem dazugehörigen Akkordeon geprägt. Selbst Endo Anaconda singt anders, zerbrechlicher, intimer.

Die Seele der Anaconda

Das klingt nach Kleinkunst und ist es auch: Die bluesige Anarchie gehört der Vergangenheit an und macht einem anderen, ruhigeren Sound Platz, der aber bestens zu Endo Anacondas Poesie passt.

Wie immer scheint er in diesen zwölf Songs seine Seele freizulegen. Das reicht von Gedanken zur modernen Informationsflut über Beziehungsgeflechte im Rotlicht-Milieu bis zur eigenen Vergänglichkeit – wie zumeist sehr wortgewaltig. Wie stark dieses dann autobiographisch ist, bleibe dahingestellt. Spielt auch keine Rolle; Stücke wie «Flieder», in dem die heilende Kraft der Liebe zum Thema wird, gehören zum Rührendsten, was Endo Anaconda je geschrieben hat:

«Bi scho als Chind der Hoger abe

mit usbreitete Arme

u i ha gmeint i chönni flüge

Wie ne Vogel mit sym Schwarm

I ha mys Gfieder gspreizt

u ha grossi Schritte gno

u ha gmeint I hebi ab

bis I unge bi acho – unheilbar».

Der Mainstream-Hit wartet.

Sendung: Radio SRF 2, Kultur kompakt, 24.02.2017, 17:15 Uhr

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