SRF Kultur: Youssou N'Dour, Ihr neues Album heisst «Africa Rekk». Was bedeutet das?
Youssou N'Dour: Das heisst: Afrika, Punkt, Schluss. Ich glaube, dass es viel über diesen Kontinent zu erzählen gibt, viele Geschichten, viele Rhythmen, die wir mit der Welt teilen müssen. Das ist der Inhalt des Albums.
Klar, es gibt Probleme, AIDS und Ebola, Hunger, korrupte Politik und Bürgerkriege, aber das ist nicht das ganze Bild.
Ist das eine Gegenreaktion auf das Bild, das sich der Westen von Afrika macht? – Ein Land voller Probleme.
Genau das ist es. Ich finde es manchmal recht anstrengend, welche Klischees über Afrika verbreitet werden. Klar, es gibt Probleme, AIDS und Ebola, Hunger, korrupte Politik und Bürgerkriege, aber das ist nicht das ganze Bild. Es gibt durchaus auch Positives zu berichten. Davon will ich auf diesem Album erzählen.
Nur schon die Musik auf diesem Kontinent ist wunderbar. Diese Musik stammt nicht immer vom Land, das ist urbane Musik, für die Jungen. Auch davon weiss man im Westen wenig.
Das Album beginnt mit dem Titel «Gorée», der Name einer Insel vor Dakar. Von dort aus wurden unzählige Sklaven in die Welt hinausgeschickt. Ein trauriges Stück Geschichte, dennoch kommt das Stück ganz fröhlich daher. Wollten Sie diesen Gegensatz?
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Ja. Wenn man Gorée besucht, taucht man tief ein in sehr traurige menschliche Schicksale. Gleichzeitig wurden hier ja nicht nur Menschen, sondern ihre Kulturen und Gebräuche exportiert, unter anderem die Musik.
Bei allem Leiden war das ein grosser Beitrag Afrikas an die westliche Welt. Ein Geschenk: Beinahe die gesamte populäre Musik des Westens fusst darauf – der Blues, der Reggae, der Samba, der Jazz.
Ich wollte diesen Menschen, die von hier aus verschifft wurden und sicher unsäglich gelitten haben, ein Denkmal setzen.
Im Dokumentarfilm «Retour à Gorée» von 2007 folgt ihnen der Schweizer Regisseur Pierre-Yves Borgeaud auf eine Reise von Gorée Richtung Welt. Ist «Africa Rekk» eine Fortsetzung davon?
Auf eine Art schon, denn es ist auch eine Reise. Auf meinem letzten Album «Dakar Kingston» habe ich bereits den Reggae Bob Marleys und meine Musik vereint.
Dieses neue Album ist eine Reise durch Afrika, ein panafrikanisches Album bis hin zur Diaspora. Ich habe hier mit einigen jungen Musikern aus Afrika und aus Amerika gearbeitet.
Wir werden im Bataclan spielen im Andenken an die Menschen, die dort gestorben sind.
Bevor «Africa Rekk» bei uns im Westen erschien, ist in Senegal das ähnlich betitelte «Senegal Rekk» herausgekommen. Sie haben schon oft dieselben Lieder in verschiedenen Versionen herausgeben – einmal die afrikanische, dann die westliche. Sind das hier dieselben Lieder auf den Alben?
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Zum Teil – zum Teil sind es auch andere Versionen. Das macht ja auch Sinn: In der afrikanischen Version singe ich mehr in meiner Sprache Wolof, die natürlich nicht von allen verstanden wird. Nun kann man sagen, Musik sei eine internationale Sprache, aber das genügt nicht.
Ausserdem reduzieren wir den Anteil der Perkussion. Ich spreche aber eigentlich nicht von Versionen, sondern von Remixes. Ein gutes Lied kann man ja als Reggae oder als Pop-Stück präsentieren – warum also nicht auch nicht als Mbalax oder Rumba?
Sie werden bald im Bataclan auftreten, jenem Konzertsaal in Paris, wo vor einem Jahr 90 Menschen durch islamistische Terroristen getötet wurden. Was hinterlässt das für Sie als gläubiger Muslim für Gefühle?
Wir werden spielen im Andenken an die Menschen, die dort gestorben sind. Ich möchte aber auch gerne in Mali oder in Nigeria auftreten, überall wo es Opfer gab dieser entsetzlichen menschlichen Dummheit. Wir werden uns gut darauf vorbereiten, innerlich.
Das Gespräch führte Eric Facon.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 16.11.2016, 16:05 Uhr