Urs Bertschinger schliesst die Tür zu seiner Ausstellung auf und steuert zielstrebig auf eine kleine Holzkiste zu.
«Als Fünfjähriger habe ich diese Kiste auf dem Flohmarkt gesehen und meine Mutter gebeten, mir sie zu kaufen. Wir dachten, es sei eine Nähmaschine. Bis der Nachbar kam und sagte, der Bub dürfe damit nicht spielen, das sei ein Phonograph von Edison.» Auch wenn er fortan nicht mehr damit spielen durfte: Der Grundstein für eine lebenslange Leidenschaft war gelegt.
500 Klangmaschinen, ein Lebenswerk
Seither klappert der Sammler Flohmärkte und Brockenhäuser ab – über 500 Klangmaschinen hat er bis heute gesammelt – von der kleinen Spieldose bis zur meterhohen Tanzorgel. Seit einem Monat stellt er sein Lebenswerk auf 2000 Quadratmetern im zürcherischen Dürnten aus und gibt Führungen.
Seine Begeisterung für diese Maschinen ist fast greifbar, etwa als er auf einen Phonographen zeigt, dessen Trichter an einen Enzian erinnert: «Schauen Sie sich nur mal diesen Phonographen an mit dem Schwanenhals-Trichter, mit dem geschwungenen Hals, das ist eine Augenweide!»
Vogelgezwitscher aus der Kiste
Die Führung geht weiter, zu den Anfängen der Musikmaschinen ins Jahr 1750. Vor uns liegt eine kleine, unscheinbare Kiste: «Die Damen vom Hof wollten damals mit dieser Kiste den Vögeln beibringen, wie sie pfeifen sollen. Ich glaube aber diese Vögel haben gesungen, was sie wollten». Urs Bertschinger dreht an der Kurbel und es erklingt zartes Vogelgezwitscher.
Urs Bertschinger hat seine Klangmaschinen nicht nur auf Flohmärkten zusammengekauft, sondern auch bestehende Sammlungen übernommen. «Wenn wir sie nicht gekauft hätten, wären sie nach Russland, China, Korea oder Japan gegangen. Die kaufen derzeit alles zusammen. Für mich steckt in diesen Musikmaschinen die Geschichte der Schweiz und deshalb möchte ich sie hierbehalten»
Ein Liebling: ein altes Orchestrion
Nun stehen wir vor einem Orchestrion von 1910. Es ist eines von Urs Bertschingers Lieblingsobjekten. Von aussen sieht es aus wie ein harmloser Kleiderschrank, zwei Meter hoch, ein Meter fünfzig breit.
Aber wenn man die Türen öffnet, erscheint ein halbes Orchester. «Es hat ein Klavier drin, einen Flötensatz, einige dieser Pfeifen klingen wie Geigen. Und dann hat es noch ein Xylophon – das ist der Hammer!»
Nicht nur vom letzten Jahrhundert
Urs Bertschinger führt mich in den zweiten Raum. Nein, es ist eher ein Saal. Ein Karussell steht da und Tanzorgeln hat es wie sie früher in Tanzsälen standen. Riesig sind sie: sechs Meter hoch, acht Meter breit.
Sie funktionieren wie eine Drehorgel – mit gestanzten Lochkarten. Und wer jetzt denkt, da schallt nur Musik aus dem letzten Jahrhundert durch den Saal, der irrt: Urs Bertschinger lässt in Holland neue Lochkarten stanzen. Und deshalb erklingt aus dem meterhohen, farbigen Orgel der Sommerhit aus dem Jahr 2000: «The Ketchup Song».
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 18.10, 08.20 Uhr.