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Über das neue Young Gods-Album
Aus Kultur-Aktualität vom 27.02.2019. Bild: zvg
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Neues Young Gods-Album «Ich hüpfe nicht mehr ständig auf der Bühne herum»

Sie haben sich Zeit gelassen, The Young Gods aus Genf: Acht Jahre sind seit ihrem letzten Album vergangen. Im Musikbusiness ist das eine Ewigkeit.

Franz Treichler, Sänger und Gitarrist, spricht übers Älterwerden als Musiker in der Schweiz und warum er froh ist, nicht Teil der modernen Arbeitswelt zu sein.

Franz Treichler

Franz Treichler

Sänger «The Young Gods»

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Der Freiburger Franz Treichler, geb. 1961, studierte klassische Gitarre. Später widmet er sich vor allem der elektronischen Musik – als Sänger und Gitarrist der 1985 gegründeten Band The Young Gods und mit zahlreichen weiteren Projekten. 2014 erhielt er den ersten Schweizer Musikpreis.

SRF: Ihr neues Album «Data Mirage Tangram» klingt nach Seventies, psychedelisch und manchmal sogar nach Jazz. Was ist passiert?

Franz Treichler: Weil Cesare Pizzi – ein Gründungsmitglied der Band – zurückkam, dachten viele, «The Young Gods» werden wieder so klingen wie früher. Aber in der Zwischenzeit sind mehr als 30 Jahre vergangen, wir sind jetzt an einem anderen Punkt.

Man sollte aufgeschlossen bleiben, sonst dreht man sich im Kreis

Die neuen Stücke entstanden 2015, als wir vom Cully Jazzfestival eine Carte blanche erhielten. Wir improvisierten Abend für Abend, mit Computern, aber auch mit Gitarre und Perkussion. Der Eindruck, das klinge nach vergangenen Zeiten, ist sicher nicht falsch. Wir sind schliesslich Kinder der 1960er-Jahre.

The Young Gods: der ewige Geheimtipp

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Als frisch diplomierter Konzertgitarrist stellte Franz Treichler 1985 seine Gitarre erst mal in die Ecke. Die neu formierten The Young Gods experimentierten in Freiburg mit selbst gebastelten Samples, die sie zu harten, schnellen Rocksongs zusammenbauten.

Gleich die allererste LP wurde von der britischen Musikzeitschrift Melody Maker zum «Album des Jahres» erklärt und die Band so zu einer Art ewigem Geheimtipp: Von Fans geliebt, von Kritikern gelobt, doch der grosse Durchbruch sollte ihr trotz einiger radiotauglicher Singles in den 1990er-Jahren nie gelingen.

Die Qualität der «Gods» besteht darin, dass sie Elektronik und Organik zu einer eigenwilligen Dynamik verschmelzen können. Und dass sie wandelbar sind.

So arbeiteten sie mit einem Streichquartett, einem Jazztrio, spielten Songs von Kurt Weill und überraschten vor zehn Jahren mit einem Akustikalbum. Seither spielt Franz Treichler wieder oft Gitarre, auch auf dem neuen Album «Data Mirage Tangram».

The Young Gods gibt es seit bald 35 Jahren. Wenn Sie den zurückgelegten Weg beschreiben müssten, wie würden Sie das tun?

Das ist gar nicht so einfach. Ich würde es vielleicht so sagen: Wir wollen Brücken bauen. Wir wollen die Metalfans dazu bringen, dass sie Ambient hören, und wir interessieren uns für klassische Musik. Wir machen das, was uns interessiert.

Und das ist kein Risiko?

Es kann sein, dass du ein paar Hardcore-Metalfans verlierst, aber die meisten Leute sind viel offener, als man denkt. Man sollte aufgeschlossen bleiben, sonst dreht man sich im Kreis.

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The Young Gods: Inspiration aus dem antiken China
aus Sounds! vom 22.02.2019.
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Sie sind 57. Wie überlebt man als Musiker in der Schweiz?

Bis in die 1990er-Jahre konnten wir gut vom Plattenverkauf leben, seither leben wir vor allem von den Konzerten. Glücklicherweise haben wir stets Angebote, um aufzutreten.

Davon abgesehen, hat jeder von uns auch noch eigene Projekte. Ich zum Beispiel komponiere Filmmusik, Bernard Trontin spielt Schlagzeug in anderen Bands. Aber gerade für einen Schlagzeuger ist Älterwerden natürlich auch physisch anstrengend.

Da Sie wie alle Bands vor allem von Auftritten leben, müssen Sie trotzdem wieder auf Tournee gehen.

Wenn du dich für die Musik entscheidest, dann ist das eine Entscheidung fürs Leben: Du hast kein geregeltes Einkommen, kannst dir nicht zwei Autos leisten und kein Einfamilienhaus.

Aber ich persönlich bin sehr froh, nicht Teil der normalen Arbeitswelt zu sein, schon gar nicht in meinem Alter. Mit 57 den Job verlieren, weil ein Jüngerer schneller ist und weniger kostet, damit die Aktionäre zufrieden sind? Nein danke, die moderne Arbeitswelt ist hardcore.

Aber auf Tournee zu gehen ist doch auch anstrengend?

Das stimmt. Aber das neue Album ist ruhiger. Die Tempi sind langsamer geworden. Es ist ein Album von Männern, die fast 60 Jahre alt sind.

Wir haben eine Fangemeinde geschaffen, die uns bis heute die Treue hält.

Das hilft. Ausserdem hüpfe ich nicht mehr ständig auf der Bühne herum, sondern spiele vor allem Gitarre.

Sie spielen wieder in Tschechien, Polen, Belgien und Portugal. Warum ist die Band gerade in diesen Ländern erfolgreich?

Wir gehen überallhin, auch nach Spanien zum Beispiel, wo wir noch nie erfolgreich waren. Portugal ist für viele zu weit, wir aber haben den Umweg in den 1990er-Jahren gemacht, und das zahlt sich bis heute aus.

In der Tschechoslowakei und in Polen waren wir zum ersten Mal gleich nach der Revolution. Der Lohn war eine Tankfüllung, die uns den Rückweg ermöglichte. So haben wir eine Fangemeinde geschaffen, die uns bis heute die Treue hält.

Das Gespräch führte Christian Walther.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 27.2., 17:20 Uhr

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