Um Webers «Freischütz» rankt sich also eine Nationalismus-Diskussion. Die wurde in deutschen Opernhäusern auch darum geführt, um der vorherrschenden italienischen Oper etwas Eigenes entgegenzusetzen. Der Konkurrent von Weber war der Komponist Gasparo Spontini.
Webers Sohn und Biograph Max Maria schreibt über die Berliner Uraufführung des «Freischütz» 1821: «Nach dem gewaltigen C-Dur Schlussakkord der Ouvertüre forderte ein brausender Sturm des Beifalls das da-capo. Als dann der Vorhang am Ende des ersten Aktes nur mit lauem Beifall fiel, frohlockten die Spontinianer: «Ist das die Musik, die die ‹Vestalin› und ‹Olympia› vergessen machen soll?» Ein Grabenkrieg deutscher versus italienischer Oper, der bis heute nicht zu Ende ist.
Posaunen lachen dämonisch
Webers «Freischütz» erntet dennoch grossen Erfolg und wird bald auf allen Bühnen Europas gespielt. Ob man das darin noch von Adorno beschriebene «Waldgefühl» als deutsch oder nicht wahrnehmen soll, sei dahingestellt. Wichtiger ist wohl Webers neue Behandlung des Orchesters.
Die Klarinette darf frei singen, die Posaunen rücken aus ihrer (dreistimmigen) Choralstellung hervor und werden zu dämonisch lachenden Handlungsträgern. Harmonisch wagt Weber im Finale einen Tritonus-Sprung von Fis in die erlösende Schlusstonart C-Dur, wohl wissend, dass der Tritonus jahrhundertelang Chiffre des Bösen war. Ein wahrlich kühner Sprung.
Wagner «vollendet» die deutsche Oper
Entstanden ist das Textbuch zum «Freischütz» nach einem Aufruf Webers an deutsche Dichter, doch bitte mal geeignete Operntexte auch auf Deutsch zu verfassen. Es war nicht die erste Garde, die sich daraufhin meldete. Vom Dichterfürsten Goethe gar war wenig zu erwarten.
«Kindisch» fand Goethe Webers «Freischütz». Da konnte ein bisschen Hilfe von Wagner nicht schaden. Dass dieser sich dabei vor allem selbst half, wird klar, wenn man bedenkt, dass Wagner den Weber zwar schon als Begründer der deutschen Oper sah – sich selbst jedoch als deren Vollender.
Gruselmonster suchen die Opernbühne heim
Wie Wagner später im «Fliegenden Holländer» liess sich auch Carl Maria von Weber von der Geisterwelt inspirieren. Genauer von den Protokollen eines Gerichts-Prozesses aus dem Jahr 1730, die fiktionalisiert als «Unterredungen von dem Reiche der Geister» veröffentlicht wurden.
Im «Freischütz» tritt das Geisterreich in Form des Höllenfürsten Samiel auf. Im Ort der Begegnung, der so genannten Wolfsschlucht, haben Kommentatoren übrigens nichts weniger gesehen als die deutsche Seele. Jedenfalls: Ein bisschen Grusel auf der Opernbühne schadet nicht.
Heinrich Marschner etwa, ein Zeitgenosse Webers, hat nur wenige Jahre nach dem «Freischütz» eine Vampir-Oper geschrieben. Sein «Vampyr» gilt übrigens als Bindeglied zwischen den Werken Webers und Wagners.