A liebt B, aber B heiratet C und verlässt vorher noch schnell D. A will sich umbringen, D will B und C umbringen, E hat etwas dagegen und schmiedet mit F ein Komplott gegen D. Und so weiter und so fort bis zum XYZ und zum irgendwie hingedrehten Happy End.
Das ist – ungerecht verkürzt – das Muster der 42 Opern, die Georg Friedrich Händel in seinem Leben komponierte. Fragt sich, wer überhaupt diesen Intrigantenstadl heute noch sehen will, der meist bei Königen, Zauberinnen und Feldherrn spielt, immer komplex, oft austauschbar, meist unlogisch.
Doch komischerweise wollen das viele heute noch immer sehen, täglich werden es mehr. Da muss also etwas dran sein.
Fünf Argumente für Händels Opern
Händel bedient die Register unserer Gefühle virtuos; per Knopfdruck erzeugt er Freude, Schmerz und Mitgefühl. Seine verworrenen Libretti bieten viel Raum für fantasievolle, experimentelle Inszenierungen. Die Arien liegen den Sängerinnen und Sängern goldrichtig in der Kehle, denn Händel lieferte seinen Stars als Komponist und Intendant nur das Beste, damit sie nicht zur Konkurrenz liefen.
Das erotische Spiel mit Geschlechterrollen – Mann singt Frau, Frau singt Mann, der sich als Frau verkleidet – geht unter die Haut. Trotz aller Unlogik schafft Händel Persönlichkeiten mit anrührenden Schicksalen: Cleopatra, der die Liebe einen Strich durch die Rechnung macht. Rinaldo, der sich trotz Gewissensbissen von einer Zauberin verführen lässt. Ariodante, der aus Liebeskummer Selbstmord begehen und als Geist zurückkehren will.
Die Interpretation als Knackpunkt
Händels Musik wird heute ganz anders gespielt als noch vor wenigen Jahrzehnten. Nur deshalb haben seine Opern ihre grandiose Auferstehung feiern können, nachdem sein Ruf lange auf den «Messiah» (Halleluja!) und das so genannte «Largo von Händel» beschränkt war. Nur dank dem Spiel auf originalen oder nachgebauten Instrumenten seiner Epoche, dank Phrasierungen, die dem Sprechfluss folgen, dank leichteren Tempi und stärkeren Kontrasten im Ausdruck erschliesst sich uns heute wieder die Schönheit und Modernität seiner Musik.
Dirigenten wie René Jacobs, William Christie oder Marc Minkowski haben diesbezüglich Pionierarbeit geleistet. Sängerinnen und Sänger wie Andreas Scholl, Anne-Sophie von Otter oder Philippe Jaroussky zeigen uns, was Belcanto tatsächlich bedeuten kann. Händels neue Karriere hat wohl eben erst begonnen.