Ihren festen Platz im Repertoire zahlreicher Opernhäuser hat sich die «Zauberflöte» vermutlich durch diesen Anspruch erobert: Sie will beim Publikum sowohl den «stillen Beifall» (Mozart in einem Brief von 1791) hervorrufen, als auch das schallende Gelächter.
1791, als die Zauberflöte aus der Taufe gehoben wurde, verband das Publikum in den Wiener Vorstädten mit dem Singspiel vor allem eines: derbe Spässe. Amüsement, das in der hehren Gattung Oper, die meist auch noch auf Italienisch gesungen wurde, nicht eingelöst werden konnte. Kein geringerer als Goethe meinte denn auch, es gehöre sehr wenig Bildung dazu, den Text des Librettisten Schikaneder schlecht zu finden. Jedoch sei viel Bildung gefragt, um ihn gut zu finden.
Musik und Text sind gleich wichtig
Mozarts Oper war ein Sensationserfolg und brachte es bereits im Jahr nach der Uraufführung auf 83 Wiederholungen. Dafür verantwortlich sind zweifelsohne die Ohrwürmer, die Mozart durch seinen Zweiakter schickt – und zwar in Reihe.
Aber auch der Text spielt eine wichtige Rolle, auch wenn hier «Pa-Pa-Pa» gestammelt wird und die wohl bekannteste Opernarie überhaupt, «Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen», mit ihren Spitzenkoloraturen teilweise sogar textlos daherkommt.
Kritiker der «Zauberflöte» meinten bis vor einigen Jahren noch, Mozarts Musik stehe weit über den «Ungereimtheiten» des Textes. Heute werden Text und Musik weitgehend gleich ernst genommen.
Vortrag in der Freimaurerloge
Wovon die Oper handelt – nebst der offensichtlichen Geschichte über Tamino und Pamina – legte der Ägyptologe Jan Assmann in seinem Buch «Die Zauberflöte – Oper und Mysterium» dar. Er belegt, dass sich Mozart 1785 in der Freimaurerloge «Zur Wahren Eintracht» Vorträge eines gewissen Professors Keil angehört hatte.
Keil stellte eine Verbindung her zwischen der Freimaurerei und den alten ägyptischen Pyramiden. Seine Theorie: Die Hieroglyphen der Pyramiden belegen, dass Pyramiden nicht Grabstätten sind, sondern Wissensspeicher und Kultbühnen einer geheimen Untergrundorganisation – eben der Freimaurer. Konkret hiess das für Keil: Die Bünde von Geheimwissenschaftlern in den Pyramiden waren Vorgänger jener Freimaurerloge gewesen, die im Jahr 1785 ihre Vorträge hielt.
Auf die Bühne mit den Freimaurer-Thesen
Mozart, der der Freimaurerloge «Zur Wahren Eintracht» angehörte, war fasziniert vom Gehörten. Zwar sollten seine nächsten Opern – «Le nozze di Figaro», «Don Giovanni» und «Cosi fan tutte» – nochmals auf Italienisch erscheinen. Doch danach wollte er mit einer neuen Oper die Rituale, den Ägyptenbezug und die wichtigsten Thesen seiner Loge auf die Bühne bringen.
Die Schweigeprüfungen etwa, die der plapperhafte Papageno (nicht!) besteht, entsprechen den so genannten kleinen Mysterien der Freimaurerloge – und die wiederum sind angelehnt an ägyptische Rituale.
Die grossen Mysterien oder im Falle der «Zauberflöte» die Feuer- und Wasserprüfung, die Tamino und Pamina bestehen, auch sie bringt Mozart auf die Bühne. Der entscheidende Unterschied und vielleicht ein typisch Mozart’scher Zug: Am Ende ist es eine Frau – Pamina –, die die Führung übernimmt. «Ich selbst leite dich», singt sie und lebt damit eine Emanzipation vor, die in den männerbündlerischen Freimaurerlogen von damals unmöglich gewesen wäre.
Man muss die «Zauberflöte» also doppelt lesen. Das bringt gewisse Regisseure an die Grenzen ihrer Fähigkeiten – sofern sie den Bezug nicht ganz negieren, wie es etwa Nigel Lowery in seiner Berner Inszenierung 2014 tat: Er versetzte die Oper in ein gigantisches Warenhaus mit Lift und Luxus. Bis zuletzt liess Mozart offen, ob er seine Oper «Zauberflöte» nennen wollte oder doch vielleicht «Die Egyptischen Geheimnisse».