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Opernführer Das Aah und Ooh von «La Bohème»

Die Oper «La Bohème» zieht Publikum um Publikum in ihren Bann – das, obwohl die Handlung simpler nicht sein könnte. Warum aber übt Puccinis Werk immer wieder seinen Zauber aus? Auch, weil der Italiener ein Meister der einprägsamen, zeitlosen Melodie ist.

Wie bloss fängt uns Puccini mit «La Bohème» ein? Die Handlung kann es nicht sein – simpel, wie sie ist. «Sie verlieben sich, sie trennen sich, sie kommt zurück und stirbt». Ganze sechs Sekunden brauchte Rolando Villazon, um «La Bohème» zusammenzufassen.

Der Zauber einer durchkomponierten Welt

Doch wer sich der Illusion hingibt, dies sei ein banales Stück, wird gleich von Beginn an – ohne Ouvertüre – in die durchkomponierte Welt der Bohème gezogen. Und ist unversehens eingefangen vom Zauber feinst ausgearbeiteter Dramaturgie.

Eng ineinander verwoben sind Text und Musik. Hart an der Realität wurde hier komponiert: Jegliche intellektuelle Überhöhung fehlt, mitten im einfachsten Milieu wird gelebt und geliebt. Es wird gesprochen, gar gehustet auf der Bühne. Giuseppe Verdi, der diese Mittel verachtete, wird sich im Grab umgedreht haben.

Humor und Tragik wechseln sich ab

Doch Puccini zeigt sich als Meister der einprägsamen, zeitlosen Melodie. Er vertont den sorgfältig ausgearbeiteten Text mit Hilfe von Leitmotiven und symmetrischem Aufbau der Szenen. Ernsthaftigkeit und Fröhlichkeit, Humor und Tragik wechseln in schwindelerregendem Tempo, fliessen gar ineinander. Nachvollziehbar ist das Stück nur noch auf der Gefühlsebene, nicht mehr mit dem Verstand. Das Herz öffnet sich, der Kopf hat frei: Das ist die erklärte Absicht in diesem Jahrhundertwerk.

Schon im ersten Bild, nach kurzer Einführung der wichtigsten Personen, wird man musikalisch buchstäblich überwältigt: mit Rodolfos «Che gelida manina», direkt gefolgt von Mimis «Mi chiamano Mimi». Gelingen dem Sängerpaar diese beiden Herausforderungen, ist ihm für den Rest des Abends die emotionale Bindung zum Publikum sicher.

Puccinis Spiel mit Wiederholungen

Um dem Publikum die Möglichkeit zu geben, die Gefühle wieder und wieder zu durchleben, sich inniger mit dem Geschehen und den Figuren zu verbinden, spielt Puccini von Beginn an mit der Wiederholung seiner Motive. Das vierte und letzte Bild besteht sogar fast ausschliesslich aus Erinnerungen an die drei Bilder davor. Mit einer besonderen Ausnahme.

Herausragend unter den vielen grossen Szenen ist Mimis kurzer Monolog «Sono andati?». Getragen wird ihr Abgesang von rhythmischen Akkorden der Streicher, die an den «Passus duriusculus» aus der Musik des Barock erinnern. Begleitet von diesem in Halbtönen absteigenden «harten Gang», beschreibt sie, wie sie fühlt, dass ihre irdische Zeit schwindet. Und so reduziert sie im anschliessenden emotionalen Ausbruch alles, was sie Rodolfo noch sagen möchte, auf einen einzigen Satz: «Sei il mio amore e tutta la mia vita.» – «Du bist meine Liebe, bist mein Leben».

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