Mit viereinhalb Jahren begann Anna Stéphany Klavier zu spielen. Und verliebte sich in die Musik. Ein paar Jahre später entdeckte ihr Klavierlehrer die schöne und natürliche Stimme des Mädchens. Von da an war klar: Anna Stéphany will Sängerin werden.
Heute ist Stéphany an der Oper eine gefragte Mezzosopranistin. Mit Barockmusik hat alles angefangen, mittlerweile schlägt ihr Herz für mehrere Epochen. Während sich andere Musikerinnen irgendwann spezialisieren, singt Anna Stéphany alles – von Frühbarock bis zu zeitgenössischer Musik.
In allen Epochen zu Hause
Das war nicht immer so: «Meine Stimme hat eine Weile gebraucht, sich zu öffnen und sich zu entwickeln. Und ich glaube, das tut sie immer noch», sagt Stéphany. Sie lasse sich davon leiten, was ihre Stimme kann.
«Am Anfang war das Barockmusik. Ich könnte immer noch den ganzen Tag lang Händel singen – weil ich es einfach liebe.» Musik von Giuseppe Verdi dagegen spreche sie nicht an. «Oder noch nicht. Eines Tages vielleicht», sagt die Sängerin augenzwinkernd.
Stéphany wählt ihre Rollen nach Gefühl: «Ich singe die Rollen oder Stücke, mit denen ich mich wohlfühle. Und wenn ich mich nicht wohlfühle, singe ich es nicht.»
Zürich ist wie eine zweite Heimat
Geboren und aufgewachsen ist Anna Stéphany in England, mittlerweile fühlt sie sich auch in der Schweiz zu Hause. Gerade hat die Sängerin in Zürich ihr Debütalbum aufgenommen.
Die Limmatstadt sei für sie das zweite Zuhause, sagt sie: «Zürich hat einen besonderen Platz in meinem Herzen.» Seit 2012 ist sie Ensemblemitglied am Opernhaus Zürich und kehrt seitdem immer gerne dorthin zurück. Derzeit steht sie in der Rolle des Idamante als Gastsängerin in der Mozart-Oper «Idomeneo» auf der Bühne des Zürcher Opernhauses.
Mit der Figur kann sie sich gut identifizieren: «Er ist stark von seiner Umgebung beeinflusst. Alle um ihn herum sind vom Krieg erschüttert, voller Trauer und stehen unter seelischem Schock. Idamante versucht das mit aller Kraft zu bekämpfen und er selbst zu bleiben. Aber er kann nicht. Am Ende realisiert er, dass auch er in den Krieg ziehen muss. Er hat keine andere Wahl. Als er zurückkommt, ist er traumatisiert.»
Anna Stéphany wird ernst, ihr Lachen verschwindet. Sie kenne diese Gefühle: «Ich habe lange gebraucht um zu verstehen, dass mein Job als Sängerin ist, ein Gefäss für die Musik zu sein. Mit jeder Faser meines Körpers und jedem Gedanken. Aber jede Hemmung, jeder Zweifel, jeder falsche Gedanke kann dir den Weg versperren. In letzter Zeit war ich auf einer Art Reise zu mir selbst, ich habe versucht, mir nicht mehr selbst im Weg zu stehen.»
Spielt lieber Männer als Frauen
Idamante ist nicht ihre erste Hosenrolle. Anna Stéphany liebt mannhafte Mezzo-Rollen, das liege ihr: «Ich liebe es! Ich geniesse das sehr. Vielleicht fühle ich mich sogar wohler dabei, einen Mann zu spielen als eine Frau. Es gibt einem ein Gefühl von Stärke.»
Warum findet Stéphany die Mezzo-Rollen so viel spannender als die der Soprane? Auf diese Frage muss sie herzhaft lachen. Es sei zwar immer der Mezzo, der das Geschehen stört oder in falsche Situationen gerät, sagt sie. Octavian im Rosenkavalier von Richard Strauss etwa.
Aber: «Wenn man als Mezzosopran nicht aufpasst, singt man nur langsame, tragischer Rollen. Die Soprane beneide ich manchmal um Rollen, die durch ihre Leichtigkeit hervorstechen. Wenn man nicht aufpasst, kann einen das ein bisschen deprimieren.»
Doch davon sei sie meilenweit entfernt, lacht Anna Stéphany. Sie nimmt das mit Humor.