Wo, wenn nicht auf der Hamburger Reeperbahn, die Lindenberg einst als «geile Meile» besungen hatte? Mitten im Amüsierviertel auf St. Pauli befindet sich das Hightech-«Udoversum»: kein traditionelles Museum, sondern eine interaktive Lebenswerkschau.
Trip durch das Leben des Rockers
Auf 700 Quadratmetern werden die Lebensstationen des Musikers dargestellt: von Lindenbergs Jugendzeit, seiner Wohnstätte im Hotel «Atlantic» über den politischen Rock’n Roller, der gegen Schwulenfeindlichkeit, Alt- und Jungnazis gesungen hat, bis hin zu seiner letzten Konzerttournee.
Ein Raum widmet sich Lindenbergs Geburtsstadt Gronau mit einem videoanimitierten Zwiegespräch zwischen seiner Schwester und ihm. Dabei wird klar: Schon als Kind wusste der Panik-Mann, dass er auf die grosse Bühne will.
«Hau rein, ist Tango»
Die Kuratoren haben für das zwei Millionen Euro teure Projekt fast vollständig auf eine Inszenierung von Artefakten verzichtet. Nach einem Lindenberg-Hut, einem Udo-Schreibtisch oder originalen Panikorchester-Songtexten sucht man vergeblich.
Stattdessen flimmern überall Filmchen mit Udo-Interviews; auf Panorama-Leinwänden, 360-Grad-Videoinstallationen, Augmented-Reality-Stationen. Aber, und das erstaunt, nur auf Deutsch. Fremdsprachige Besucher gehören scheinbar nicht zur Zielgruppe der «PanikCity». Alles mit Zustimmung von Lindenberg, der hier inhaltlich, aber nicht finanziell mitgewirkt hat.
Honky-Tonky-Show
Weiter geht es in das nachgebaute «Boogie-Park-Studio», wo Besucher Udos «Mein Ding»-Song aufnehmen können. Man steht auf grünen Fussabdrücken – Lindenberg trägt gerne grüne Socken – vor einem Mikro. Anschliessend darf man das Musikvideo auf einem USB-Stick kostenlos mitnehmen.
Alles bewegt sich, alles dreht sich. Sogar eine Likör-Bar («Alkohol und Kunst») ist aufgebaut. Dort dürfen die Besucher Udos Kultbilder auf Tischtablets nachmalen. Kreativ ist das nicht, dafür aber Screen-wisch-und-weg animiert.
Honecker-Gitarre und Stasi-Akte
Einen eigenen Raum hat auch die DDR, gegen die Lindenberg nach Kräften angesungen hatte. Hier hängt auch jene Gitarre, die er einst Erich Honecker vermachte. Udo erzählt von «meterhohen Stasi-Akten», die es zu Songs wie «Mädchen aus Ostberlin» und «Sonderzug nach Pankow» gegeben habe.
In der letzten Station steht der Besucher mit Virtual-Reality-Brille live im Stadion auf der Bühne: «Reeperbahn, du geile Meile!» Mit Technik wurde hier nicht gekleckert, sondern geklotzt.
Knall, Rauch, Zisch
Trotzdem bleibt der Mensch Lindenberg merkwürdig unnahbar. In «PanikCity» geht es vielmehr um Emotionalisierung mit den technischen Möglichkeiten unserer Zeit. Überall wird der Besucher von einem multimedialen Sperrfeuer aus Klängen, Bildern und Geräuschen begleitet. Ob das reicht – singen, malen, staunen mit Udo Lindenberg? Unter die Haut geht es jedenfalls nicht.
Die Frage, was den ungebrochenen Ruhm des heute 71-jährigen Deutschrockers ausmacht, bleibt unbeantwortet.
Am Ende der 90-minütigen Tour steht, ganz analog, ein Museumsshop mit kitschigem Andenkensortiment: Kappen mit Udos Konterfei, T-Shirts mit dem «Sonderzug nach Pankow», Lindenberg Bildbände – nur Kaffeetassen mit «Naziland ist abgebrannt» sucht man vergeblich. Dafür gibt es zum Schluss einen Eierlikör gratis.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 27.03.18, 17:20 Uhr