Ihre Geschichte gleicht einem Roman. Als Kind der spanischen Sängerfamilie Garcia reist Pauline Viardot-Garcia (1821 bis 1910) rund um die Welt: von Paris, London, St. Petersburg bis nach Mexiko.
Bereits mit 17 Jahren, ausgebildet auch als Pianistin und Komponistin, tritt sie in die Fussstapfen ihrer früh verstorbenen Schwester Maria Malibran. Im Vergleich zu ihrer Schwester gilt Pauline als androgyn. Ihre Mehrfachbegabung als Sängerin, Pianistin, Komponistin, Kollaborateurin und Herausgeberin ist atemraubend, ihr Intellekt scharf.
«Immer muss man staunen»
Das bekommt auch Clara Wieck zu spüren. Diese war damals gerade frisch und geheim mit dem Komponisten Robert Schumann verlobt. Im Juni des Jahres 1838 treffen die beiden Künstlerinnen erstmals aufeinander. Pauline Garcia debütiert in Deutschland, begleitet von ihrer Mutter und dem Schwager, dem gefeierten Geiger Charles de Bériot.
Pauline, gerade mal 17 Jahre alt, spricht bereits charmant eingefärbtes Deutsch, Spanisch und Französisch sowie die Opernsprache Italienisch. Englisch ist sie am Lernen und Russisch wird später dazukommen.
Clara, 19 Jahre alt und Wunderkind des Klaviers, spricht einzig sächsisches Hochdeutsch. Das Gespräch zwischen den beiden geht über Musik hinaus und begründet eine der grossen Frauenfreundschaften des 19. Jahrhunderts.
«Immer muss man staunen, ob alldem, was Pauline kann. Schiller und Goethe hat sie studiert und verstanden», verrät Clara ihrem Tagebuch. Robert teilt ihre Bewunderung, als er Pauline kennenlernt. Sie zeige «drei Talente, von denen jedes für sich einen Künstler zieren würde.»
Jodel oder die Liebe zum Lokalkolorit
Robert Schumann wünscht sich von den beiden Künstlerinnen je eine Komposition für die Beilage der von ihm mitbegründeten und bis heute bestehenden «Neue Zeitschrift für Musik».
Pauline wirft sich auf ein Gedicht von Ludwig Uhland und tut das für sie Typische: Sie integriert Stilelemente der lokalen Musiktradition, in diesem Fall des deutschen Liedes, und bleibt dennoch eigenständig. Sie schreibt stets szenisch: «Die Kappelle» überrascht mit einem dem Jodel abgehörten Motiv und versetzt uns ins Alpenland.
Karriere ohne Kompromisse
Viardot-Garcia definiert auch ihre Rolle als Ehefrau und Mutter gegen die Konvention. Mit 19 Jahren heiratet sie einen doppelt so alten linksintellektuellen Kunsthistoriker.
Louis Viardot managt ihre Karriere und macht bei der Familienplanung mit. Nach dem ersten Kind gibt es mit Rücksicht auf die dicht getakteten Tourneen eine Pause von zehn Jahren.
Liebe zu dritt
Das dritte Leben beginnt. Viardot-Garcia baut sich in Baden-Baden ein Opernhaus auf das Grundstück ihres Sommersitzes. Dort empfängt sie Dichter, Musikerinnen und Adelige und lebt eine Ménage à trois: Sie ist die Herzenskönigin Ivan Turgenevs, der Libretti beisteuert und mit Ehemann Louis die Jagdleidenschaft teilt.
Gerne hätte sich die umworbene Sängerin und Darstellerin auch als Komponistin durchgesetzt. Die letzte ihrer ironischen Operetten schreibt sie 1904 in Paris, mit 81 Jahren. In «Cendrillon» (Aschenputtel) tobt der Geschlechterkampf.
Viardot-Garcia überlebt ihre Männer und Verehrer und entschläft umsorgt von ihren Töchtern im Sessel. Zuletzt, so die Saga, soll sie «Norma» geflüstert und so an eine ihrer wichtigsten Rollen erinnert haben.