Die Musik schwarzer Komponistinnen und Komponisten hört man im Konzertsaal fast nie. Und auch People of Color sind in klassischen Sinfonieorchestern kaum vertreten.
Chi-chi Nwanoku will das ändern. Sie ist Kontrabassistin, hat eine irische Mutter und einen nigerianischen Vater. Chi-chi Nwanoku ist jahrelang die einzige schwarze Musikerin auf der Bühne – bis sie einen Schlüsselmoment erlebt, der alles verändert.
Getrennte Welten
In London gibt 2014 das Kinshasa-Orchester aus dem Kongo ein Konzert. Es ist weltweit das einzige Sinfonieorchester mit Musikerinnen und Musikern schwarzer Hautfarbe. Im Publikum sitzen nur Menschen mit weisser Hautfarbe – und Chi-chi Nwanoku.
Dort habe es «Klick» gemacht: Weder auf der Bühne noch im Publikum war die Gesellschaft in ihrer Vielfalt vertreten. Die schwarze und die weisse Welt schienen streng getrennt. «Da war mir klar, dass sich etwas verändern muss», sagt Nwanoku.
Am nächsten Tag gründet sie die Chineke! Foundation, mit dem Ziel, ein ethnisch diverses Orchester auf die Beine zu stellen. Damit will Nwanoku Vorurteile ausräumen. Etwa, dass Schwarze nur Jazz und Hip-Hop spielen könnten.
Talent gibt es genug
Vor der Gründung des Orchesters bekam sie einige skeptische Kommentare: «Manche sagten mir, Klassik sei nicht die Musik der Schwarzen. Schwarze, die klassische Musik spielen, seien nicht gut genug.»
Doch Nwanoku, selbst klassische Musikerin in den besten Orchestern Englands, bewies auch mit dem Chineke! Orchestra das Gegenteil: «Je mehr ich nach schwarzen Musikerinnen und Musikern suchte, umso mehr Talent fand ich – so viel, dass wir gleich zwei Orchester gründeten: ein Jugendorchester und ein Profi-Orchester.»
2015 hatten beide Orchester ihren ersten Auftritt im renommierten Southbank Centre in New York. Dies sei der bewegendste Moment ihrer Karriere gewesen, sagt Chi-chi Nwanoku: «Zum ersten Mal in meiner beruflichen Laufbahn war ich nicht die einzige Schwarze auf der Bühne. Und das Publikum sah aus wie eine Gemeinde, wie London: Es war bunt, voller verschiedener Hautfarben!»
Für ein vielfältiges Publikum
Bis dahin hatten es People of Color schwer, den Zugang ins Publikum klassischer Konzerte zu finden. «Viele Schwarze haben mir erzählt, dass sie noch nie in einem klassischen Konzert waren, weil man ihnen das Gefühl gegeben hatte, sie seien nicht willkommen oder es sei zu anspruchsvoll für sie. Dass sie nicht intelligent genug seien, um ins Konzert zu gehen.»
Nwanoku bringt es auf den Punkt: «Musik diskriminiert nicht. Es sind die Menschen, die sie umgeben, die das Problem verursachen.»
Damit auch das Publikum diverser wird, brauche es schwarze Musikerinnen und Musiker auf der Bühne, als Vorbilder, sagt die Kontrabassistin.
Solidarität ist notwendig
Dass das Lucerne Festival dieses Jahr die Diversität ins Zentrum stellt und Werke schwarzer Komponisten aufführt, begrüsst sie. «Wir brauchen die Verbundenheit weisser Freunde und Kollegen, denn wir sitzen im selben Boot», sagt sie, und vergleicht es mit dem Frauenstimmrecht: «Hätten nur Frauen gekämpft, hätten wir das Stimmrecht nie bekommen. Wir haben die Unterstützung der Männer gebraucht.»
So sei es auch mit der Musik. «Unsere weissen Freunde und Kollegen müssen ihr Engagement und ihre Solidarität teilen, wenn sie wirklich an eine integrative Welt glauben.»