Peter Eötvös, ein Multitalent als Komponist, Dirigent und Pädagoge, war voller Fantasie, voller Neugierde. Ein hintersinniger und höflicher Philanthrop mit viel Witz. Und ein so begeisterter wie begeisternder Musik-Erzähler.
«Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen: wie ist das, dass jemand heute lebt und sich für alte Musik interessiert», sagte Eötvös einmal. «Ich bin kein Antiquariat, also ich möchte nicht mit alten Möbeln mich beschäftigen, sondern Möbel bauen, Möbel konstruieren, erfinden.» Das sei die Aufgabe eines jeden Menschen. Nicht nur seine.
Erster Halt: Köln
Es war der Hunger auf das Neue, der ihn antrieb, seit er seine Heimat in den 1960er-Jahren in Richtung Westen verlassen hatte, nach Köln, eine Hochburg der neuen Musik, mit einem Stipendium in der Tasche. Hier wollte er Komposition studieren! Denn hier waren sie alle versammelt, die furchtlosen Wilden der Nachkriegsavantgarde.
Auf einem Zettel am Anschlagbrett der Musikhochschule liest er einen Zettel: «Stockhausen sucht einen Kopisten für diese Musik.» Peter Eötvös meldet sich bei Stockhausen. Und wird genommen.
Die Zeit mit Stockhausen
Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, Eötvös wird Keyboarder im Stockhausen-Ensemble und Tontechniker am elektronischen Studio des WDR. Hunderte Konzerte bestreitet er zusammen mit Stockhausen.
Der erinnert sich später: «Hunderte gemeinsame Konzerte in nahezu allen Ländern der Erde, mehr als zehn Jahre Zusammenarbeit im Studio für Elektronische Musik des WDR Köln, zahllose Treffen bei mir, bei ihm, gemeinsames Leid und geteilte Freude, die tiefe Freundschaft mit diesem einmaligen Kameraden und Musiker.»
Ab nach Paris
Nach Stockhausen wird auch Pierre Boulez auf den jungen Mann aus Ungarn aufmerksam, erkennt schnell dessen Potential als Komponist, als Erfinder, als Dirigent.
Er holt ihn an sein Pariser Ensemble Intercontemporain. Viele Jahre leitet Eötvös das weltberühmte Spezialensemble für neue Musik, für mehr als 200 Uraufführungen ist er verantwortlich. Und reist als Dirigent um die Welt, bevor er auch als Komponist Erfolge feiert.
Der Job in Paris ist der Einstieg in Eötvös’ internationale Dirigentenkarriere. Aber der Preis ist hoch: fürs Komponieren bleibt keine Zeit mehr. 13 Jahre Enthaltsamkeit.
Der grosse Durchbruch
Dann fängt er wieder an zu schreiben: eine wilde und mutige Musik, die nicht verkopft daherkommt, sondern Geschichten erzählt. Die wirkt, als ob jemand ein Fenster aufgerissen hat und frischen Wind hereinlässt.
Mit seiner Tschechow-Oper «Drei Schwestern» gelingt ihm Ende der 1990er-Jahre der internationale Durchbruch als Opernkomponist. Viele weitere Opern folgen, die Musik von Peter Eötvös wird immer lässiger, mitreissender, heiterer. Das Publikum liebt ihn dafür, heute ist Eötvös einer der meistaufgeführten Komponisten unserer Zeit.
Ein riesiges Arbeitspensum hatte er. Akribisch und mit eiserner Disziplin hat er dieses Pensum bewältigt, dieser immer freundliche, dessen Name auf ungarisch übrigens «Goldschmied» bedeutet.