Seit es Musik gibt, wird geklaut – und zwar in allen Genres. Davon zeugen aufsehenerregende Gerichtsurteile. So mussten zum Beispiel Robin Thicke und Pharrell Williams 2015 den Nachkommen von Marvin Gaye 7,4 Millionen US-Dollar bezahlen.
Ihr Song «Blurred Lines» sei ein Plagiat von «Got to give it up», befand das Gericht.
Schwammige Gesetzeslage
Ein anderes Gericht hätte in diesem Fall vielleicht anders entschieden, sagt die Anwältin für Urheberrecht, Chantal Bolzern. Denn es gäbe keine fixen Beurteilungskriterien, etwa eine bestimmte Anzahl an Noten.
«Musik und Rechtswissenschaft sind keine exakten Wissenschaften», erklärt Bolzern. Weil Richter und Richterinnen in Sachen Musik nicht zwingend bewandert sind, werden oft Fachpersonen hinzugezogen, die im Vorfeld ein Gutachten erstellen. Auf diese Berichte stützt sich dann das Gericht bei seinem Entscheid.
Klagen als Geschäftsmodell
Wer klagt und Recht bekommt, kann damit eine Stange Geld verdienen. Das dürfte ein Grund sein, warum die Urheberrechtsklagen in den letzten Jahren in Grossbritannien und Amerika massiv zugenommen haben.
Mittlerweile können dort sogar Versicherungen abgeschlossen werden, die einen im Falle einer Klage finanziell unterstützen. In der Schweiz sei der Markt dafür zu klein, sagt Bolzern. Deswegen würde man sich hier in rund 90 Prozent der Fälle aussergerichtlich einigen.
Urheberrecht vs. Kunstfreiheit
1997 verwendete der deutsche Musikproduzent Moses Pelham im Song «Nur mir» zwei Sekunden aus Kraftwerks «Metall auf Metall». Diese zwei Sekunden ziehen sich als Basis durch den ganzen Song und sorgen dafür, dass sich Kraftwerk und Pelham mittlerweile seit über 20 Jahren vor Gericht streiten. Und das, obwohl Pelham schon lange zugegeben hat, dass er sich tatsächlich bei Kraftwerk bedient hatte.
Grund für den Zwist sei nicht nur das Sample, sondern zwei unterschiedliche Haltungen, wie mit der Musik anderer umgegangen werden dürfe, sagt Chantal Bolzern: «Die einen pochen darauf, dass die Rechte zwingend bei dem Urheber bleiben müssen, andere verlangen kreative Freiheit und einen offeneren Umgang mit fremdem Material.»
Schlupfloch statt Sample
Ein Phänomen sorgt derzeit vor allem in den USA für rote Köpfe: die Interpolation. Dabei werden Teile aus alten Songs neu aufgenommen und mit dem eignen Song verwoben. Nun gibt es Fälle, in denen Interpolation und Original so ähnlich klingen, dass sie kaum noch unterscheidbar sind.
So wird die Interpolation zu einem Schlupfloch, damit keine echten Samples verwendet werden müssen. Diese sind aufwändiger abzuklären und teurer.
Aktuell ist eine Klage von Rick Astley gegen den US-Rapper Yung Gravy hängig. Letzterer hat als Intro für seinen Song «Betty (Get Money)» den Refrain des 80er-Jahre-Hits «Never Gonna Give You Up» sehr nahe am Original aufgenommen.
Wenn seine Stimme so schamlos imitiert werde, würden seine persönlichen Rechte als Interpret verletzt, sagte Astley und reichte Klage ein.
Es gibt sehr viele Unklarheiten, wie mit der Musik anderer Interpreten umgegangen werden darf. Hinzu kommt, dass Gesetze und Abgrenzungen sehr schwammig formuliert sind und sich von Land zu Land unterscheiden.
Ein persönliches Recht als Interpret, wie es Rick Astley einfordert, gibt es in der Schweiz zum Beispiel nicht.